Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Totenhaus

Das Totenhaus

Titel: Das Totenhaus
Autoren: Linda Fairstein
Vom Netzwerk:
mich ein wenig beruhigt. »Sie war hinter die Sache mit Charlotte gekommen, stimmt's? Sie drohte damit, Ihren - Ihren Unfall aufzudecken.« Ich musste mich anstrengen, damit mir das Wort nicht im Hals stecken blieb. »Sie gab Ihnen zu verstehen, dass sie Lavery gerade gesagt hatte, dass sie dahinter gekommen war, wo Charlotte Voight war.«
    Lavery hatte Lolas Worte so aufgefasst, dass Charlotte noch am Leben war. Shreve hingegen musste in Panik geraten sein, dass man Charlottes Leiche finden würde, genau zu der Zeit, als er dem Vermögen seines Großvaters auf die Spur gekommen war.
    »Lola wollte eine Gegenleistung für die Karte, richtig?«
    »Sie hatte kein Anrecht auf diese Diamanten, Ms. Cooper. Sie versuchte, mich zu erpressen, genauso wie sie es mit Claude Lavery getan hatte.«
    Shreve stand jetzt im Türrahmen des kleinen Raums. »Lola knallte mir die Tür vor der Nase zu, aber ich bin nicht gegangen. Sie kam nach fünf, vielleicht zehn Minuten aus der Wohnung. Ich fragte sie, wohin sie wollte, aber sie gab mir keine Antwort. Ich wusste, dass sie auf die Insel fahren würde, zum Strecker-Labor, um Charlotte zu finden. Ich versuchte, sie aufzuhalten, aber sie ging einfach an mir vorbei zum Lift.«
    »Nur Sie beide?«
    »Claude. Da kam Claude aus der Wohnung. Ich war schockiert, ihn zu sehen. Der Aufzug ruckelte, und ich packte Lola, um sie rauszuziehen. Aber ich erwischte nur ihren Schal, ihren langen Wollschal. Dann gingen die Aufzugstüren zu, und der Schal verfing sich darin. Ich schrie Claude an, die Knöpfe zu drücken, und hielt mit den Händen die Türen auf. Lola war schon ganz blau im Gesicht. Sie schlug wie wild mit den Armen und schnappte nach Luft. Sie versuchte zu schreien. Sie dachte, ich hätte es absichtlich getan.«
    Vielleicht sagte er bis hierher die Wahrheit. Es war eine realistische Schilderung von Lola und wie sie fast erdrosselt wurde von dem Schal, der sich in den Aufzugstüren verfangen hatte. Ein weiches Stück Wolle, über dem dicken Kragen eines Wintermantels, das nicht einmal Ligaturspuren hinterlassen würde.
    »Da war sie noch am Leben?«
    »Aber ja. Sie konnte nicht sprechen und ihren Schal nicht lockern. >Es war ein Unfall<, sagte ich ihr. Ich griff nach ihr, um ihr zu helfen, aber sie wich zurück und fing an zu schreien.«
    Das konnte ich mir gut vorstellen, da sie dahinter gekommen war, dass Shreve für Charlotte Voights Verschwinden verantwortlich war. Ich hätte ihm in dem Moment auch ins Gesicht geschrien: Mörder!
    Nun wurde seine Darstellung ungenau, und er stotterte herum. »Es war Claude. Er wollte, dass sie aufhörte zu schreien, er wollte, dass sie ruhig war.«
    Es machte in meinen Augen keinen Sinn, dass Claude Lola umbringen wollte. Aber ich hatte Shreve die Gelegenheit gegeben, einen Komplizen in seine Geschichte einzubauen.
    »Claude packte den Schal und zog ihn ihr fester um den Hals. Er zerrte sie aus dem Aufzug und auf den Boden des Flurs. Er beschimpfte sie, er -«
    Erdrosselung ist kein schneller Tod, im Gegensatz zu einem Kopfschuss oder einem Messerstich in die Brust. Zweifellos war es in diesem Fall, da sie von den Aufzugstüren praktisch schon fast erdrosselt worden war, schneller gegangen. Sie war bereits geschwächt und bekam kaum noch Luft, also bedurfte es keiner großen Anstrengung, ihr den Garaus zu machen.
    Shreve suchte nach Worten und Handlungsabläufen, die er Lavery zuschreiben konnte, aber ich wusste es jetzt besser.
    »Sie hat nicht sehr laut geschrien. Ich, äh, ich versuchte, Claude wegzuziehen, aber er ließ nicht los. Er war wütend auf sie.« Er senkte den Kopf und versuchte, die Sache mit überzeugenden Details auszuschmücken. »Er erzählte mir, dass Lola ihn erpresst hatte, damit er ihr was von seinen Forschungsgeldern abgab.«
    »Und Lolas Leiche?«
    »Ich wollte die Polizei anrufen. Ich weiß, dass Sie mir das nicht glauben werden wegen -« Er brach mitten im Satz ab und nickte mit dem Kopf in Richtung des Strecker-Gebäudes, in Richtung Charlotte Voights Leiche. »Dieses Mal war es Claude, der sich weigerte. Er war im Begriff, von der Bundespolizei wegen Betrugs vor Gericht gestellt zu werden. Er, äh, sagte mir, dass ich verschwinden solle, dass er sich allein darum kümmern würde. Und ich ging, weil ich annahm, dass er sich auf angemessene Weise kümmern würde. Ich hätte nie gedacht, dass er ihre Leiche in den Aufzugsschacht werfen würde. Ich meine, Claude wohnt ja selbst in dem Haus. Ich wusste nicht einmal, dass die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher