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Das Tor des Suedens

Das Tor des Suedens

Titel: Das Tor des Suedens
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erwidert hatte. Sadagar glaubte den Duft ihres Haares zu riechen, die Weichheit ihrer vollen Lippen und die Glut ihres bebenden Körpers zu spüren. Sein Herz schlug schneller, und sein Puls hämmerte, als ihn die Erinnerung überwältigte und er die schönen Stunden von damals nacherlebte…
    Die für jeden von ihnen anders gearteten Alptraumgestalten wurden durchscheinend und kämpften vergebens gegen die drohende Vernichtung an. Sie bäumten sich noch einmal auf, sammelten alle Kräfte und warfen sich Nottr, Olinga und Sadagar entgegen. Doch die Macht der schönen Erinnerungen wurde immer stärker. Die Alptraumgeschöpfe wimmerten klagend, lösten sich langsam auf und verschwanden. Die graue Nebelwand trieb auf einen Gletscher zu und löste sich schließlich auf.
    »Wir haben es geschafft«, sagte Olinga und öffnete die Augen.
    »Das Ufer ist ganz nah«, sagte Nottr. Nun öffnete auch Sadagar die Augen. Er lächelte wehmütig, schob die schöne Erinnerung weit zurück und kehrte in die traurige Gegenwart mit ihren Schrecken zurück.
    »Sollen wir das Ufer ansteuern, Sadagar?«
    »Nein, ich schlage vor, dass wir uns ruhig von der Eisscholle den Fluss hinuntertragen lassen.«
    »Das könnte gefährlich sein, mein Freund, denn wir kennen den Flusslauf nicht. Es mag dort Wasserfälle geben.«
    »Wasserfälle hören wir rechtzeitig.«
    »Wir haben keine Ruder. Vergiss das nicht, Sadagar!«
    Der Alte sah die steilen Felswände an. Die Eisscholle wurde rascher auf den Abfluss zugetrieben. Der Wilde Maru schien nun breiter und auch schiffbar zu sein, und er führte durch eine wild zerklüftete Schlucht.
    Die Eisscholle schoss in die Tiefe, immer schneller werdend.
    »Wenn das nur gutgeht«, brummte Sadagar. »Ein Bad im eisig kalten Wasser wäre nicht nach meinem Geschmack.«
    »Wir werden auf eine Öffnung zugetrieben!« schrie Nottr. »Wir müssen die Scholle ans Ufer lenken.«
    »Das ist nicht möglich. Wir können nur zu den Göttern beten.«
    Und da war auch schon die Öffnung heran, viel größer, als sie zuerst geglaubt hatten. Das Wasser gurgelte und zischte, und dann verschwand das Eisboot im Felstunnel.
    Nottr erkannte im schwachen Licht, das von der Öffnung herdrang, die Wölbung des Tunnels. Doch kurze Zeit später wurde das Licht von der Dunkelheit verschluckt.
    Sadagar schrie etwas, doch er wurde nicht verstanden, denn das durchdringende Rauschen des dahinschießenden Wasser übertönte die Stimme.
    Dann funkelte Licht vor ihnen, und die Eisscholle schoss ins Tageslicht hinaus. Zu beiden Seiten erstreckten sich tief verschneite Tannenwälder, die der Wind seltsam zerrupft hatte. Dazwischen waren mit Eiszapfen behangene Felsvorsprünge zu erkennen, und manchmal tauchte eine mit Schnee bedeckte Steinlawine auf. Und weit vor ihnen waren die Hügel von Tillorn zu sehen.
    Ohne weitere Zwischenfälle trug sie der Fluss talwärts. Es war eine überaus angenehme und entspannende Fahrt. In der Abenddämmerung stieß die Eisscholle ans Ufer.
    Nottr ergriff einen über den Fluss hängenden Ast und hielt sich fest. »Springt an Land!« schrie er.
    Sadagar und Olinga gehorchten, dann sprang Nottr ans Ufer. »Packt mit an! Wir ziehen die Eisscholle ans Land. Mit ihr gelangen wir rascher nach Tillorn.«
    Es kostete sie ziemlich viel Schweiß, den schweren Eisbrocken zur Hälfte auf das Ufer zu zerren.
    *
    Am nächsten Tag setzten sie die Flussfahrt mit der Eisscholle fort. Es wurde spürbar wärmer, nur mehr wenig Schnee bedeckte die Hügel und Wälder.
    Ihre bequeme Fahrt endete, als sie das Tosen eines Wasserfalls hörten. Rasch verließen sie ihr Eisboot und gingen zu Fuß weiter. Mit jedem Schritt wurde es wärmer, und bald begannen sie in ihrer Pelzkleidung zu schwitzen. Sie legten die oberste Garnitur ab und ließen sie einfach liegen.
    Ihr Weg führte nun durch dunkel bewaldete Schluchten mit hohen Tannen, riesigen Felsblöcken und gewaltigen Wasserfällen. Sie folgten dem Lauf des Wilden Marus, der in Kaskaden über die vom Eis gespaltenen Granitblöcke sprudelte. Dann durchschritten sie eine wilde Landschaft, die aus kahlen Felsen bestand, feucht und glatt.
    Sadagar blieb plötzlich stehen. Er schrie unterdrückt auf und streckte den rechten Arm aus. »Auf dem Hügel vor uns steht ein Gebäude!«
    Nottr blinzelte in die hochstehende Sonne. »Das sieht eher wie ein Bogen aus. Es könnte auch das übriggebliebene Tor eines zusammengestürzten Hauses sein.«
    »Ja, du hast recht, Nottr. Das ist ein Tor: das Tor des
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