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Das Tibetprojekt

Titel: Das Tibetprojekt
Autoren: Tom Kahn
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»Erkennst du das Modell?«
    »Sicher. Welcher Flieger würde so eine Maschine vergessen? Außerdem haben wir ja einiges mit ihr erlebt.«
    Li Mai schaute Decker mit einem breiten Lächeln an. »Gefällt sie dir noch?«
    »Klar.«
    »Dann gehört sie jetzt dir. Kleine Nachzahlung, weil dein Dossier so wunderbar funktioniert hat. Die Farben passen sogar zu
     deinem Porsche.« Sie hielt ihm den Schlüssel hin.
    Decker nahm ihn, spielte den Ungerührten, hob eine Augenbraue und sagte: »Und was ist mit dem Strafzettel für die Verletzung
     des Frankfurter Luftraums? Nicht mal die Deutsche Bank hat eine Genehmigung für einen Heliport auf dem Dach der Zentrale bekommen.«
    Li Mai winkte ab. »Schick das Knöllchen an euren Außenminister und sag, er wäre von uns. Berlin drückt sicher ein Auge zu.«
    Decker nickte. »Kann ich mir vorstellen.« Ihm wurde heiß und kalt bei dem Gedanken daran, dass Berlin in dieser Staatsaffäre
     jetzt mit Sicherheit eine Verbindung zu ihm herstellen würde. Vielleicht sollte es einfach so sein. Vielleicht sollte er sich
     schon mal nach einem Luxuspenthouse in Hongkong umschauen. Damit nahm er Li Mai in den Arm und führte sie in seine Wohnung.
     
    Sie standen in Deckers Suite. Wie schon einmal. Das Licht der Abenddämmerung erfüllte den Raum mit einem romantischen gelb-roten
     Schimmer.
    »Wir hatten noch gar keine Gelegenheit, das Ende der Mission gebührend zu feiern«, sagte er, ging zur Bar und holte den Dom
     Perignon aus dem Eisfach.
    |399| »Ich hatte bis gestern noch ziemlich zu tun.«
    »Das Ergebnis habe ich im Fernsehen gesehen.«
    Li Mai grinste. »Da siehst du, wie gut die Go-Taktik in der Wirklichkeit funktioniert.«
    »Steinchen durch den Raum schmeißen?« Decker erinnerte sich an ihr langes Gespräch am Spieltisch und fragte sich, ob sein
     Stein noch immer in der Vase im Flugzeug lag.
    »Nein.« Sie lachte. »Den Gegner besiegen, ohne ihn zu vernichten. Es geht beim Go darum, wer am Ende die meisten Gefangenen
     gemacht und das größere Territorium besetzt hat.«
    »Na, dann.« Decker gab ihr ein Glas. »Champagner zum Abschluss?«
    Sie sah ihn herausfordernd an. »Ja, gerne.«
    Decker füllte die Gläser. »Wie sagt ihr Militärs immer bei solchen Gelegenheiten?«
    »Mission accomplished«,
sagte Li Mai in zackigem Ton.
    »In diesem Sinn   ...«
    Sie ließen die Gläser klingen. »
    Was hast du da eigentlich für eine Kiste mit angeschleppt?«
    »Mach sie auf.«
    »Für mich?«
    »Kleine Überraschung. Du hast sie im Heli vergessen.«
    Decker stellte sein Glas ab, ging zu der Kiste und betrachtete sie neugierig.
    So wurden wertvolle Kunstwerke verpackt und transportiert.
    Nachdem er sämtliche Polsterungen und Schutzumhüllungen entfernt hatte, stellte er das Stück auf den Tisch, trat zurück und
     blickte es an.
    |400| »Die Statue aus dem Kloster. Der Yamantaka«, flüsterte er.
    »Unsere Experten schätzen ihn auf das 17.   Jahrhundert. Ein besonders seltenes und schönes Exemplar. Das Museum hat so ein Kunstwerk nie zuvor im Haus gehabt. Sie haben
     gesagt, sie würden dich darum beneiden.«
    »Das ist ein wundervolles Geschenk. Diese Statue wird mich lange und intensiv beschäftigen«, sagte er feierlich.
    »Ach ja?« Li Mai kam näher, und er nahm ihr Parfüm wahr. »Vielleicht können Sie mir die Bedeutung ja etwas näher erklären,
     Herr Professor?«
    Decker musste schmunzeln. »Interessiert sie dich wirklich?«
    »Sehr.«
    Decker ahnte, was kommen würde, und spürte seine Erregung aufsteigen. »Nun, wir sehen hier Mann und Frau, die sich stehend
     im Akt befinden   ...«
    »Wie aufregend   ...«, hauchte Li Mai.
    »In dieser Pose kosmischer Vereinigung erreichen beide die höchste Erkenntnis von allem Sein. Eine zentrale Doktrin des Buddhismus
     besagt ja, dass die Einsicht in das Wesen der Dinge eintritt, wenn die Illusion vom Ego aufgehoben wird. Das kann meditativ
     oder eben auch im   ... na ja   ... im Orgasmus geschehen. Übrigens glauben viele Religionen, dass sich das Ichgefühl im rituellen Höhepunkt auflöst und man
     für Sekunden eins wird mit dem Universum.«
    »Ist das so?«
    »Nun, physiologisch betrachtet, spricht nichts dagegen. Der menschliche Höhepunkt ist in der Tat ein sehr   ... wie soll ich sagen   ... energiegeladener und bewegender Vorgang. Für einen Augenblick taucht man in die |401| Sphäre zwischen Traum und Wirklichkeit. Das Ich entschwindet darin. Ein Moment der Transzendenz, des metaphysischen Einswerdens
     mit
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