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Das Tibetprojekt

Titel: Das Tibetprojekt
Autoren: Tom Kahn
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erklang die Stimme des Piloten aus dem Lautsprecher und riss ihn aus seinen Fantasien. »Wir beginnen mit dem
     Landeanflug auf Peking.«
Nicht schon wieder eine Unterbrechung
. Decker hätte verzweifeln können.
    Auf dem Rollfeld wartete bereits eine schwarze Limousine mit Eskorte. »Oh, Staatsbesuch«, sagte Li Mai, die auch aus dem Fenster
     des Flugzeugs schaute. Kurz darauf betrat der Staats- und Parteichef der Volksrepublik China den großen Arbeitsraum, in dem
     Decker und Li Mai die letzten Tage und Nächte zugebracht hatten.
    Decker stand auf und ging auf ihn zu. Der Chinese richtete ohne jede Gefühlsregung das Wort zuerst an ihn: »Herr Dr.   Decker, es ist mir eine Ehre, Sie persönlich kennenzulernen. Ich bin bereits im Wesentlichen über den aktuellen Stand Ihrer
     Forschungen informiert.« Dabei warf er Li Mai einen Blick zu. »Aber ich bin ebenso gespannt darauf, die Einzelheiten zu lesen.«
     Sein Englisch war makellos.
    »Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Herr Präsident«, erwiderte Decker und gab ihm die CD. »Ich hoffe, Sie sind mit den
     Ergebnissen zufrieden.«
    »Ich weiß, dass Sie hervorragende Arbeit geleistet haben. Sie haben damit unserem Land einen unschätzbaren Dienst erwiesen.«
    »War mir ein Vergnügen.« Decker sah zu Li Mai.
    »Wir wissen das zu würdigen.« Der Vorsitzende deutete auf die bequeme Couchecke. »Aber setzen wir uns doch.«
    Sie nahmen Platz, und der Vorsitzende fuhr in aalglattem Tonfall fort: »Meine Tochter hat mich über die neue Honorarvereinbarung
     informiert. Wir haben uns daher |387| erlaubt, Ihnen ein Konto bei der Rothschild Bank in der Schweiz einzurichten.«
    Decker hob eine Augenbraue. Die legendäre Rothschildbank. Im 19.   Jahrhundert war sie die größte Privatbank der Welt und ihr Vermögen betrug das 8 0-fache der englischen Krone. Sie hatte die Geschichte Europas im Hintergrund lange mitbestimmt. Ihr Gründer, Mayer Amschel Rothschild,
     lag auf dem alten jüdischen Friedhof in Frankfurt begraben. So ein Zufall.
    »Wir denken, dass der Betrag in einem angemessenen Verhältnis zu der Größe des Dienstes für China steht. Zumal sie Ihr Leben
     dafür riskiert haben. Wir bedauern natürlich, dass Sie den Großteil des Materials nicht veröffentlichen können und Ihnen damit
     der akademische Ruhm entgeht.«
    Nach einer Pause fuhr er aufrecht sitzend fort. »Deshalb habe ich mich nach Rücksprache mit meiner Tochter darum bemüht, Sie
     auch in diesem Punkt zu entschädigen. Da ich annehme, dass Sie sich aus Orden nichts machen, habe ich etwas anderes gesucht,
     um Ihnen eine kleine Freude zu machen. Wenn Sie dieses Dokument hier als Zeichen unserer Anerkennung und Wertschätzung annehmen
     würden, wäre mir das ein großes Vergnügen.«
    Er griff in seinen Attachékoffer, holte eine Urkunde heraus und übergab sie Decker mit beiden Händen.
    Decker rollte sie auf – und hatte große Mühe, die Fassung zu wahren. Die Urkunde war auf Chinesisch. Li Mai lachte.
    Der Präsident jedoch blieb diplomatisch ernst und griff erneut in den Koffer. »Das hier ist die beglaubigte Übersetzung.«
    Decker nahm sie entgegen und war ergriffen. Das |388| konnte man für Geld nicht kaufen. Es war die Vergabe einer Ehrenprofessur an der Universität Peking.
    »Herr Präsident   ...« Decker war gerührt.
    »Ich habe gehört, das fehlte noch in Ihrer Sammlung, und die westlichen Universitäten tun sich damit etwas schwer.« Er lachte,
     wie nur ein Mann mit nahezu unbegrenzter Macht lachen kann. »Sie haben natürlich das Recht, ihre Befunde über gewisse Teile
     der Religion und der Kultur Tibets für ihre wissenschaftlichen Vorträge zu verwenden. Sie werden wissen, was Sie im Rahmen
     unseres Abkommens nicht erwähnen sollten. Ich vertraue Ihnen. So wie Sie uns vertraut haben.« Er klang dabei ungerührt wie
     ein Nachrichtensprecher.
    Decker blickte dem Präsidenten in die Augen. »Sie können sich auf mich verlassen.«
    »Sollte Ihnen Europa einmal zu eng werden, steht Ihnen nun der Weg zu jeder chinesischen Universität offen. Sie können den
     Lehrstuhl in Anspruch nehmen, wann immer Sie wollen und wo Sie wollen. In Peking. In Kanton. In Hong Kong oder Schanghai.«
    »Ein verlockendes Angebot. Wer weiß, wohin es mich eines Tages verschlägt«, sagte Decker. Li Mai lächelte ihn glücklich an.
    »Darüber hinaus«, sagte der Staatschef mit monotoner Stimme, »erhalten Sie den Status eines Freundes von China. Und von mir
     persönlich. Wenn Sie irgendwo
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