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Das Teufelsspiel

Das Teufelsspiel

Titel: Das Teufelsspiel
Autoren: Jeffery Deaver
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Täter. Wie gefällt dir der Spruch, Lon? Die Geburt einer neuen Plattitüde – und du warst dabei.«
     
     

 … Drei
     
    Instinkt.
    Streifenpolizisten entwickelten einen sechsten Sinn dafür, verdeckt getragene Schusswaffen zu erkennen. Die alten Hasen der Truppe sagten, sie könnten es schlicht an der Körperhaltung der betreffenden Person ablesen. Dabei spielte weniger das tatsächliche Gewicht der Pistole eine Rolle als vielmehr die gewichtigen Konsequenzen, die das Tragen einer Waffe mit sich brachte. Sie verlieh dem Besitzer Macht.
    Und es bestand die Gefahr, erwischt zu werden. Wer in New York unerlaubt eine Schusswaffe bei sich trug, musste mit einer Haftstrafe rechnen. Eine verdeckte Kanone bedeutete Knast. So einfach war das.
    Nein, Amelia Sachs konnte nicht genau sagen, woran es lag, aber sie wusste, dass der Mann, der gegenüber dem Museum für afroamerikanische Kultur und Geschichte an einer Hauswand lehnte, bewaffnet war. Er stand mit verschränkten Armen da, rauchte eine Zigarette und musterte das gelbe Absperrband der Polizei, die blinkenden Signallichter, die Beamten.
    Als Sachs sich dem Tatort näherte, kam ein blonder Streifenpolizist auf sie zu – so jung, dass es sich um einen Neuling handeln musste. »Hallo«, sagte er. »Ich war als Erster vor Ort. Ich …«
    Sachs lächelte. »Sehen Sie nicht mich an«, flüsterte sie. »Schauen Sie zu dem Müllhaufen ein Stück die Straße hinauf.«
    Der Mann sah sie verständnislos an. »Wie bitte?«
    »Den Müllhaufen«, wiederholte sie mit schroffem Flüstern. »Nicht mich.«
    »Verzeihung, Detective«, sagte der junge Mann mit dem kurzen Haarschnitt. Auf dem Namensschild an seiner Brust stand R. Pulaski. Es hatte noch keine einzige Delle oder Schramme davongetragen.
    Sachs wies auf den Abfall. »Zucken Sie die Achseln.«
    Er zuckte die Achseln.
    »Kommen Sie mit. Behalten Sie weiter den Müll im Auge.«
    »Gibt es …?«
    »Lächeln.«
    »Ich …«
    »Wie viele Cops braucht man, um eine Glühbirne zu wechseln?«, fragte Sachs.
    »Keine Ahnung«, sagte er. »Wie viele?«
    »Ich weiß es auch nicht. Das ist kein Witz. Aber lachen Sie jetzt, als hätte ich Ihnen eine tolle Pointe geliefert.«
    Er lachte. Ein wenig nervös. Aber es war ein Lachen.
    »Nicht aus den Augen lassen.«
    »Den Abfall?«
    Sachs knöpfte ihr Jackett auf. »Jetzt lachen wir nicht mehr. Wir interessieren uns für den Müll.«
    »Wieso …?«
    »Weiter.«
    »Okay. Ich lache nicht. Ich betrachte den Müllhaufen.«
    »Gut.«
    Der Bewaffnete lehnte immer noch an der Hauswand. Er war Mitte vierzig, von kräftiger Statur, mit militärisch kurzer Frisur. Amelia bemerkte nun die Ausbuchtung an seiner Hüfte. Es musste sich um eine lange Waffe handeln, vermutlich um einen Revolver, denn man konnte die Trommel erahnen. »Folgendes«, sagte Sachs leise zu ihrem Kollegen. »Auf zwei Uhr steht ein Mann. Er ist bewaffnet.«
    Der Neuling – mit dem Igelschopf eines kleinen Jungen, leuchtend beige wie Karamell – ließ sich zum Glück nichts anmerken. »Ist das etwa der Täter? Glauben Sie, es ist der Vergewaltiger?«
    »Keine Ahnung. Ist auch egal. Vorerst stört mich nur, dass er bewaffnet ist.«
    »Was machen wir jetzt?«
    »Wir gehen weiter, an ihm vorbei. Dann schauen wir uns den Müllhaufen an, finden nichts von Bedeutung und machen kehrt. Sie werden langsamer und fragen mich, ob ich einen Kaffee möchte. Ich sage ja. Sie gehen herum auf seine rechte Seite. Er wird mich im Auge behalten.«
    »Warum Sie?«
    Wie erfrischend naiv. »Er wird, glauben Sie mir. Sie nähern sich ihm vorsichtig von hinten. Dann geben Sie einen Laut von sich, räuspern sich oder so. Er wird sich umdrehen. Dann komme ich von der anderen Seite.«
    »Okay, verstanden … Soll ich, Sie wissen schon, meine Waffe ziehen?«
    »Nein. Lassen Sie ihn einfach merken, dass Sie dort hinter ihm stehen.«
    »Und falls er seine Waffe zieht?«
    »Dann ziehen Sie ebenfalls.«
    »Und falls er schießt?«
    »Ich glaube nicht, dass er das wird.«
    »Aber falls doch?«
    »Dann schießen Sie auf ihn. Wie heißen Sie mit Vornamen?«
    »Ronald. Ron.«
    »Wann haben Sie bei uns angefangen?«
    »Vor drei Wochen.«
    »Sie werden das prima machen. Los jetzt.«
    Sie gingen zu dem Müllhaufen und untersuchten ihn flüchtig, fanden dort nichts von Interesse und drehten um. Dann blieb Pulaski plötzlich stehen. »He, Detective, wie wär’s mit einem Kaffee?«
    Er übertrieb es ein wenig und hätte wahrscheinlich keinen Schauspielpreis dafür
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