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Das Teufelslabyrinth

Das Teufelslabyrinth

Titel: Das Teufelslabyrinth
Autoren: John Saul
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verpflichtet«, wiederholte Pater Sebastian ruhig und ohne irgendwelche Gefühle zu zeigen.
    Seine Worte trafen Ryan im tiefsten Inneren, und er machte sich auf den Weg zu der dunklen Gestalt, zu Pater Sebastian. »Ich komme, Pater. Ich gehorche. Ich werde stets gehorchen.«
    »Ryan!«, rief sein Vater, doch seine Stimme verklang mit jedem Schritt, den Ryan auf Pater Sebastian zu machte. »Denk an mein Geschenk. Vergiss nicht das Geschenk, das ich dir dagelassen habe.«
    Als hätte er die Worte seines Vaters nicht gehört, lief Ryan weiter auf den dunkel gekleideten Priester zu. Im Näherkommen sah er plötzlich, dass Pater Sebastian nicht allein war. Melody war bei ihm, und sie lächelte Ryan an, winkte ihn zu sich. Er beschleunigte seine Schritte, streckte die Hände nach ihr aus, und sie streckte die ihren nach ihm aus, und kurz bevor sich ihre Fingerspitzen berührten, fuhr Pater Sebastians rechte Hand in die Höhe. Sie hielt ein silbernes Kruzifix umklammert, so lang wie sein Arm, wobei sich seine Finger genau um das Antlitz des Heilands schlossen. Und während er das Kruzifix in die Höhe reckte, brach sich die aufgehende Sonne an der
messerscharfen Klinge, an die die Füße des Erlösers gebunden waren.
    Dann sauste das Kruzifix in einem großen Bogen nach unten, und genau in dem Augenblick, als Ryans Finger die von Melody berührten, fuhr die glitzernde Klinge durch das Fleisch, die Sehnen und die Knochen ihres Nackens.
    Als Melody Hunt zu Boden stürzte, sprudelte das Blut aus ihrem Hals und vereinigte sich mit dem Fluss, der unter den Füßen des Priesters entsprang. Sekunden später kullerte Melodys Kopf auf Ryan zu und blieb neben seinen Füßen liegen.
    Sie schaute zu ihm hoch, ihre wunderschönen blauen Augen von Schmerzen getrübt, ihr Gesicht zu einer leidenden Maske verzerrt. Ihre Lippen bewegten sich, und Ryan sah, dass sie ein Wort zu formen versuchte. Sie strengte sich an, ihre Augen tränten, und dann …
    Nach Luft ringend wurde Ryan wach und setzte sich im Bett auf. Sein Herz raste, seine Haut war schweißnass, und in der schwindenden Dunkelheit vor Tagesanbruch sah er immer noch Melodys schmerzverzerrte Gesichtszüge vor sich.
    Auf der anderen Seite des Zimmers schlief Clay Matthews friedlich und schnarchte leise in sein Kissen.
    Ryan blieb ganz still liegen, wartete, dass die Schrecken dieses fürchterlichen Alptraums verblassten. Anschließend würde er noch einmal einschlafen, und wenn er danach wieder aufwachte, würde er bereit sein für den Tag.
    Für den Tag, der der wichtigste in seinem Leben sein sollte.
    Der wichtigste und auch der letzte.
    Heute kam der Papst, und am Ende des Tages würde Allah sich über drei neue Märtyrer freuen können, denen für ihre Tat ewiger Ruhm gewiss war.

    Während Ryan in seinem Bett lag und draußen der Morgen dämmerte, wurde ihm die Bedeutung seines Traums bewusst. Dieser Traum war ein Versuch der Ungläubigen, ihn vom wahren Glauben abzubringen. Doch heute würde er allen Verlockungen widerstehen. Er und Melody und Sofia würden gehorchen.
    Doch noch während seines stummen Gelübdes wanderte sein Blick zu der hölzernen Wandverkleidung neben seinem Bett. Die Quelle seiner Versuchung lag im Inneren des geheimen Verstecks; dort hatte er das Kruzifix deponiert, nachdem er es vom Speicher seines Elternhauses geholt hatte.
    Heute Nacht hatte es zu ihm gesprochen.
    Es war in seinem Alptraum aufgetaucht und hatte ihn in Versuchung geführt.
    Es musste zerstört werden.
    Leise schlüpfte Ryan aus dem Bett und löste vorsichtig das Holzpaneel aus der Verkleidung. Dann legte er die Platte auf seinem Bett ab und griff in den Hohlraum hinter dem Mauerputz.
    Als seine Finger sich um das kalte Silber schlossen, schoss ihm ein Kribbeln durch den Arm.
    Er holte das Kruzifix heraus und betrachtete es im fahlen Dämmerlicht.
    In seinem Inneren wisperte eine Stimme: »Du kennst deine Aufgabe. Du musst tun, was dir aufgetragen wurde.«
    Das Kruzifix leuchtete im trüben Dämmerlicht wie von innen angestrahlt.
    Ryan verbarg das Kreuz ganz in seiner Hand, um sicherzugehen, dass seine Augen den Verlockungen des Kreuzes nicht erlagen.
    Niemals durfte ihm dieser Plunder beim Befolgen der Befehle des Paters im Wege stehen.

    Sorgfältig fügte er das Paneel wieder in die Verkleidung ein und schlüpfte dann noch einmal ins Bett. Er legte sich auf den Rücken, starrte hinauf an die Zimmerdecke, ignorierte die Versuchung, die von diesem Gegenstand in seiner Hand ausging - und
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