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Das Testament des Satans

Das Testament des Satans

Titel: Das Testament des Satans
Autoren: Barbara Goldstein
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erlitten. Nicht dass er Angst hat zu sterben. Oder zu töten. Nein, er entstammt einer alten Familie von Tempelrittern. Er ist verwandt mit André de Montbard, einem der neun Gründer und dem fünften Großmeister des Templerordens, und mit dessen Neffen, dem heiligen Bernard de Clairvaux, dem geistigen Vater der Ritter Christi.
    Frère Abelard de Montbard ist sich seiner Verantwortung als Hüter der Lade bewusst. Wer das Testament des Satans sucht, muss sterben. Das ist die heilige Mission der Geheimen Bruderschaft innerhalb der Abtei.
    Die mit Blei ausgekleidete Lade aus uraltem zersplitterten Holz steht offen vor dem Altar. Die goldenen und purpurnen Brokatstoffe, die die satanische Reliquie verhüllen sollen, sind aus dem Schrein gerissen worden. Der Hüter kniet vor der Lade nieder und wickelt das Testament, das vor den Blicken der Sterblichen verborgen bleiben muss, behutsam in die schützenden Tücher. Dabei achtet er darauf, dass er es nicht berührt. Denn der direkte Kontakt mit der Reliquie des Satans endet so tödlich wie das Berühren der Bundeslade Gottes.
    Doch selbst durch den dicken Brokatstoff kann er das Glühen des Metalls spüren – ein Phänomen, das ihn immer wieder in ehrfürchtiges Staunen versetzt. Das Metall fühlt sich warm an, als sei es eben erst aus dem Feuer gezogen und geschmiedet worden. In all den Jahren seit dem Sturz des Satans vom Himmel in die Hölle ist es nie erkaltet.
    Tief durchatmend klappt Frère Abelard den schweren Deckel zu, lässt das schimmernde Messingschloss einrasten und verriegelt es.
    Möge Gott der Allmächtige verhüten, dass es jemals wieder geöffnet wird und sich die Mächte des Bösen in der Abtei manifestieren!
    Noch ganz versunken in die Erinnerung an das geheimnisvolle Buch, das er gerade eben auf einem Lesepult des Scriptoriums entdeckt hat, hält Père Yannic Créac’h den Atem an und lauscht in die nächtliche Stille. Doch alles ist ruhig. Kein Schrei, kein Schluchzen, nichts.
    Beunruhigt steigt er die gewundene Treppe vom Scriptorium zum Hof weiter hinauf.
    Was war das? Eine der Möwen, die im alten Gemäuer oberhalb des Kreuzgangs nisten?
    Aber wer war das vorhin im Kreuzgang? Die schweren Schritte hatte Yannic durch das hohe Deckengewölbe bis ins Scriptorium hören können – was ihn vorhin veranlasst hatte, die Treppe zum Hof hinaufzusteigen, um zu horchen. Doch alles war still gewesen – was sein aufgeregtes Herzklopfen beruhigt hatte! Denn wie hätte er dem Pater Prior seine nächtliche Exkursion ins Scriptorium erklären sollen? Yannics unbändige Abenteuerlust und sein bretonisches Temperament verstoßen zwar nicht ausdrücklich gegen die Ordensregeln des heiligen Benedikt, werden aber vom Prior, der mit den Regeln unter dem Kopfkissen schläft, mit Sicherheit in der nächsten Kapitelversammlung als Verfehlung geahndet – falls Yannic entdeckt wird …
    … was vorhin, bei seiner Rückkehr ins Scriptorium, um ein Haar geschehen wäre, als Frère Abelard, der Bibliothekar, das satanische Buch vom Lesepult nahm, es ins Archiv brachte und die Tür sorgfältig verschloss. Wirklich schade, denn Yannic hätte in dem prachtvoll illuminierten Folianten gern noch ein wenig geblättert.
    Sobald er um die Ecke biegt und die letzten Stufen erklimmt, entdeckt er die Gestalt vor dem Kirchenportal.
    »Gott im Himmel!«, flüstert er auf Bretonisch. Er rafft seinen Habit und kniet sich neben den Mann, aus dessen Rücken die Bolzen einer Armbrust ragen. Blut sickert aus den Wunden.
    Yannic legt den Finger an dessen Halsschlagader und tastet nach dem schwachen, unregelmäßigen Herzschlag. Vorsichtig packt er den Sterbenden bei den Schultern und dreht ihn auf die Seite, sodass dessen Kopf auf seinem Knie liegt.
    »Vittorino?«, flüstert er bestürzt.
    Der Gesandte des Papstes schlägt die Augen auf und blinzelt Yannic an. Sein Gesicht ist blutverschmiert.
    »Was ist geschehen?«, fragt Yannic.
    Vittorino ringt nach Atem. Die Luft rasselt in seiner Lunge, die von einem Bolzen zerfetzt wurde. Seine Lippen bewegen sich.
    »Wer hat auf Euch geschossen, Monseigneur?«
    »Segnet … mich … mon Père!«, stößt Vittorino hervor. »Gebt mir die Sterbesakramente … Ich flehe Euch an!«
    Mit dem Daumen malt Yannic das Zeichen des Kreuzes auf Vittorinos Stirn, um ihn durch das Sakrament zu beruhigen. Das heilige Öl aus der Sakristei zu holen hätte zu lange gedauert. »Durch diese heilige Salbung helfe dir der Herr in seinem Erbarmen. Er stehe dir bei mit der
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