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Das Testament des Satans

Das Testament des Satans

Titel: Das Testament des Satans
Autoren: Barbara Goldstein
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Nacht hat Yannic mir von den seltsamen Lichterscheinungen erzählt, die während eines Sturms wie blauviolette Leuchtfeuer über dem Mont-Saint-Michel schimmern.
    Ein Elmsfeuer leuchtet bei einem heftigen Gewittersturm an einem Schiffsmast. Oder auf einem Kirchturm. Wenn das Elmsfeuer zu sehen ist, besteht die unmittelbare Gefahr, dass ein Blitz einschlägt.
    Das helle Leuchten liegt über dem Mont-Saint-Michel. Es sieht aus, als brenne die Abtei lichterloh.
    Terribilis est locus iste – schrecklich ist dieser Ort.
    Dann geschieht es: Ein greller Blitz zuckt über mich hinweg, zerteilt den Himmel, der mit einem ohrenbetäubenden Knall zu zerbersten scheint, und schlägt mit unglaublicher Wucht in den Mont-Saint-Michel.
    Das Leuchten wird heller.
    Ich reiße meinen Blick vom Horizont los und sehe mich um.
    Keine Spur von Yannic.
    Ist er überhaupt noch irgendwo hier? Oder ist er aufs offene Meer getrieben worden?
    Ich fiere die Schot und nehme das Segel aus dem Wind. Sofort wird das Boot langsamer.
    Wie lange hält Yannic durch bei diesem Sturm und diesem Wellengang? Er wird nicht aufgeben, sondern kämpfen bis zum letzten Atemzug. Aber wie lange noch?
    Jetzt mal langsam, Sandra. Keine Panik.
    Ich atme tief durch und überlege gerade, ob ich das flatternde Segel bergen und mich treiben lassen soll oder ob ich weitersegeln soll, als ich plötzlich etwas Dunkles auf den Wellen sehe.
    Ein schwarzer Habit?
    Rasch greife ich zum Bootshaken.
    Er ist nicht lang genug!
    Ja, es ist ein Habit! Langsam treibt er neben mir her in Richtung Mont.
    Ich krieche zum Ruder zurück und zerre so lange an der Schot herum, bis das Segel richtig steht. Das Boot rollt in der plötzlich querab kommenden See, aber schließlich bin ich bis auf Bootshakenlänge an den Habit herangekommen.
    Schot fieren, Segel killen lassen, Ruder ausrichten, Kurs auf den Mont-Saint-Michel und das wundervolle Leuchten über dem südlichen Horizont, Pinne anlaschen. Dann durch die Brecher und die Gischt zurück zur Kante.
    Mit dem Bootshaken stochere ich im schwarzen Wollstoff herum, bis der Haken am Gürtel hängen bleibt, dann beginne ich mit aller Kraft, daran zu ziehen. Vor lauter Anspannung verkrampfen sich meine Hände um die Stange.
    Plötzlich dreht sich der Habit, und ein bleiches, lebloses Gesicht starrt mich an.
    Es ist nicht Yannic. Sondern Corentin.
    Die Gefühle wirbeln in mir auf wie das Wasser über einem Riff. Mit dem Bootshaken schlage ich zornig auf ihn ein. Dann stoße ich ihm den Haken in die Brust und drücke ihn unter Wasser. »Va all’ inferno, Bastardo del Diavolo!«
    Dann ist er verschwunden.
    Zurück zum Ruder, Segel in den Wind, langsam, ganz langsam weiter auf das Leuchten zu, das immer heller wird.
    Corentin ist von der Strömung der auflaufenden Flut tiefer in die Bucht gezogen worden, wie gestern die Robben von den Sandbänken weit draußen, die ich vom Kreuzgang aus beobachtet habe.
    Yannic muss vor meinem Bug im Wasser treiben. Irgendwo auf den schwarzgrauen Wogen zwischen mir und dem überirdisch leuchtenden Mont-Saint-Michel.

Yannic
Kapitel 90
    In der Strömung der Bucht
Am frühen Nachmittag
    Alles löst sich auf: Himmel und Meer, Wolken und Horizont. Es gibt kein Oben mehr und kein Unten.
    Zischend und donnernd rollt eine schwarze Wand aus Wasser auf mich zu, sie packt mich und reißt mich in die Höhe, dann schleudert mich die Welle wieder hinunter in den Abgrund.
    Benommen vor Kälte und Erschöpfung kämpfe ich gegen das Meer, das immer meine Zuflucht war. Meine Heimat. Außer meiner Insel.
    Und nun ist sie mein Grab.
    Meine Arme und Beine fühle ich nicht mehr. Jetzt wird es nicht mehr lange dauern. Du wirst es nicht schaffen, Yannic.
    Rozenn, kannst du mich hören?
    Es gibt so vieles, das ich dir noch sagen möchte, aber mir bleibt keine Zeit mehr. Ich liebe dich, Rozenn, ich habe dich vom ersten Augenblick an geliebt. Ich habe nie aufgehört, dich zu lieben, obwohl ich dir nie geschrieben habe, obwohl ich dir nie gestanden habe, wie sehr unsere Trennung mir wehgetan hat, wie sehr ich gezweifelt habe, an mir, an Gott. Verzeih mir. Vergib mir, dass ich dir so viel Leid zugefügt habe. Ich hätte bei dir bleiben sollen, ich hätte alles aufgeben sollen, um bei dir und Katarin zu sein.
    Ich liebe dich, Rozenn, für immer und ewig, so wie du mich liebst, über den Tod hinaus.
    Genau wie du werde ich jetzt aufhören zu kämpfen gegen etwas, das stärker ist … gegen das Meer, das wir beide so geliebt haben. Es wird mich zu
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