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Das Testament des Satans

Das Testament des Satans

Titel: Das Testament des Satans
Autoren: Barbara Goldstein
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Rettungsweste schlägt direkt vor ihm in die Gischt, bevor er erneut hinter einem Wellenkamm verschwindet. Ich kann nicht sehen, ob er reagiert.
    Dann gleitet das Boot über die Woge hinweg.
    Da ist er wieder.
    Ich rufe ihn, aber er hört mich nicht.
    Die Rettungweste treibt auf dem Wasser. Ich ziehe behutsam an dem Seil. Kein Widerstand. Yannic hält sich nicht daran fest.
    Ich lasse das Seil wieder durch meine Finger gleiten, und der Kork treibt wieder auf ihn zu.
    »Yannic!«
    Mir bleibt fast das Herz stehen, als endlich eine Hand aus dem Wasser auftaucht und nach der rettenden Weste tastet. Erneut hole ich das Seil ein – er hängt dran!
    »Yaaanniiic!« , brülle ich so laut ich kann. Der Sturm trägt den Ruf bis zu ihm. Er lehnt sich über die Rettungsweste und blinzelt zu mir herüber.
    »…«
    Nichts verstanden.
    »Halt dich fest! Ich zieh dich zum Boot.«
    Er taucht unter, kommt prustend wieder hoch. »…«
    Kein Wort dringt bis zu mir.
    »Halt durch, Yannic! Du schaffst es.«
    Wieder verschwindet er hinter einer schwarzen Woge. Doch sobald das Boot über den Wellenkamm gleitet, sehe ich ihn wieder, jetzt einige Ellen näher am Bug.
    Mit aller Kraft, die ich noch habe, ziehe ich ihn am Seil zu mir heran. Sobald er den Bug erreicht und an der Steuerbordseite entlangtreibt, beginnt das Boot stark zu krängen, wie vorhin, als ich über Bord gegangen war.
    Was jetzt? Das Boot neigt sich immer stärker – es wird kentern, wenn ich die Leine nicht kappe.
    »Yannic!«
    »Alessandra!«
    »Was soll ich tun? Das Boot kippt um.«
    Er deutet auf das Heck. »Nicht, wenn du mich …« Er schluckt Wasser und muss husten. »… wenn du mich übers Heck reinholst.«
    »Verstanden.« An der gespannten Leine ziehe ich ihn nach achtern, dann knie ich mich auf die Ruderbank und strecke ihm die Hand entgegen.
    Yannic ergreift sie und hält sie fest.
    »Komm jetzt!«, brülle ich. »Ich ziehe dich an Bord.«
    Ein Brecher gischtet über uns hinweg und ergießt sich über die Planken.
    »Nicht aufgeben, Yannic!«
    Das Boot dreht sich in die Wellen, die plötzlich von querab kommen, doch schließlich gelingt es Yannic, ins Boot zu klettern. Er sinkt auf die Planken und bleibt schwer atmend auf dem überspülten Deck liegen. Mühsam richtet er sich auf, zieht sich auf die Ruderbank, lascht das Ruder los und dreht die Enez Eusa in den Wind.
    Kraftlos lehne ich mich an ihn. Er legt seinen Arm um mich, während das Boot über die Wellen gleitet, direkt auf das Leuchten zu.
    »Ich liebe dich«, flüstert er so leise, dass ich ihn kaum verstehen kann, und küsst mich.
    Ich erwidere seinen salzigen Kuss. »Ich liebe dich auch.«
    Eine Weile schweigen wir, aufgewühlt und erschöpft, und halten uns zitternd aneinander fest.
    Ein Schleier aus feinem Nieselregen hüllt uns ein.
    »La Clarté de Saint-Michel.« Yannic deutet nach vorn auf das Leuchten, das jetzt sehr intensiv strahlt. »Sieh nur, wie die Abtei über dem aufgewühlten Meer zu schweben scheint! Nur die Merveille und der Glockenturm sind zu sehen. Ein unwirklicher Anblick!«
    Die Abtei sieht genauso aus wie auf der Zeichnung in der Teufelsbibel. Der Mont-Saint-Michel ist das himmlische Jerusalem.

Das himmlische Jerusalem
    Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem,
aus dem Himmel herabkommen.
Und ich hörte eine laute Stimme vom Thron Gottes her sagen:
Siehe, der Tempel Gottes bei den Menschen!
Er wird bei ihnen sein.
Und er wird jede Träne von ihren Augen abwischen,
und der Tod wird nicht mehr sein, noch Trauer,
noch Geschrei, noch Schmerz.
Und Gott sprach: Siehe, ich mache alles neu.
    Die heilige Stadt Jerusalem,
wie sie aus dem Himmel herabkam,
hatte die Herrlichkeit Gottes.
Ihr Lichtglanz glich einem sehr kostbaren,
kristallhellen Edelstein.
Und an den Toren wachten zwölf Engel.
    Apokalypse des Johannes

Alessandra
Epilog
    An Bord von Yannics Boot
Am frühen Nachmittag
    Sobald wir um den Mont herumgesegelt sind und die Mauern und Türme der Befestigungen und die dahinter aufschimmernden Schieferdächer der Stadt zu Füßen der leuchtenden Abtei an uns vorbeigeglitten sind, können wir einige Bootslängen voraus die Mole ausmachen, die noch immer von Brechern überspült wird.
    Ich richte mich auf und spähe nach vorn. Trotz meiner Erleichterung, der Hölle entkommen zu sein, bin ich angespannt.
    »Wir werden erwartet.«
    Yannic blinzelt gegen die Gischt an und beobachtet die Gestalten im flatternden Habit, die dicht gedrängt an der Mole stehen, in unsere
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