Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Testament der Götter

Das Testament der Götter

Titel: Das Testament der Götter
Autoren: Christian Jacq
Vom Netzwerk:
die Ihr ausgesprochen habt, und wird Euer Ankläger sein, falls Ihr Verrat an der Maat begeht.«
    Der Gaufürst und der Vertreter des Hauses der Arbeit stellten sich zu beiden Seiten des Richters auf.
    »Erhebt Euch«, forderte der Bevollmächtigte des Wesirs.
     
    »Hier, Euren Siegelring«, sagte er, indem er ihm eine kleine, rechteckige Platte mit einem daran verlöteten Reif überreichte, den Paser über seinen rechten Mittelfinger streifte. Auf der glatten Fläche der goldenen Platte war »Richter Paser« eingeschnitten. »Die Schriftstücke, denen Ihr Euer Petschaft aufdrückt, werden amtliche Geltung haben und Eure Verantwortlichkeit berühren; bedient Euch dieses Rings nicht leichtfertig.«
     
    Der Amtssitz des Richters befand sich in der südlichen Vorstadt von Memphis, in halber Entfernung zwischen dem Nil und dem westlichen Kanal und südlich vom Tempel der Hathor. Der junge Mann vom Lande, der eine beeindruckende Wohnstatt erwartet hatte, wurde bitter enttäuscht. Die Verwaltung hatte ihm lediglich ein niedriges Haus mit zwei Geschossen zugestanden.
    Auf der Schwelle saß ein schlummernder Wächter. Paser klopfte ihm auf die Schulter; der Mann fuhr hoch.
    »Ich würde gerne eintreten.«
    »Die Amtsstube ist geschlossen.«
    »Ich bin der Richter.«
    »Das würde mich wundern … Der ist tot.«
    »Ich bin Paser, sein Nachfolger.«
    »Aha, Ihr seid das … der Gerichtsschreiber Iarrot hat mir diesen Namen genannt, das ist wahr. Habt Ihr einen Beweis für Eure Behauptung?« Paser zeigte ihm den Petschaftsring.
    »Ich hatte den Auftrag, diese Stätte bis zu Eurem Eintreffen zu bewachen; mein Auftrag ist also beendet.«
    »Wann werde ich meinen Gerichtsschreiber sehen?«
    »Das weiß ich nicht. Er muß eine heikle Angelegenheit lösen.«
    »Welche?«
    »Das Feuerholz. Im Winter wird es hier recht kalt; letztes Jahr hat das Schatzhaus es abgelehnt, Holz in diese Amtsstube zu liefern, weil das Gesuch nicht in dreifacher Ausführung eingereicht worden war. Iarrot hat sich zum Amt der Schriftenverwahrung begeben, um die Lage ins reine zu bringen. Ich wünsche Euch gutes Gelingen, Richter Paser; Ihr werdet nicht Gefahr laufen, Euch hier in Memphis zu langweilen.« Der Wachmann schnürte sein Bündel und ging davon.
    Paser stieß die Tür seines neuen Reichs auf. Das Amtszimmer war ein recht großer Raum, mit Schränken und Truhen vollgestellt, in denen gebündelte oder gesiegelte Papyrusrollen verwahrt waren. Auf dem Boden lag eine nicht ganz geheure Schicht Staub. Angesichts dieser unerwarteten Not zögerte Paser keinen Augenblick. Der Würde seines Amtes zum Trotz ergriff er einen Besen, der aus langen, steifen, zopfartig gedrehten Faserbüscheln bestand, welche zwei Sechsfachverschnürungen zusammenhielten; der starre Stiel ermöglichte eine geschmeidige und gleichmäßige Handhabung.
    Als die Säuberung beendet war, nahm er den Bestand der Schriftenkammer in Augenschein: Unterlagen des Amts für Liegenschaften und des Schatzhauses, verschiedene Berichte, Klagen, Buchhaltungsaufzeichnungen und Belege über Lohnzahlungen in Getreide, Körben oder Stoffen, Aufstellungen von Bediensteten … Seine Befugnisse reichten in die unterschiedlichsten Gebiete.
    Im größten der Schränke fand sich die unerläßliche Ausrüstung des Schreibers: Paletten mit Aushöhlungen auf der Oberseite, um die rote und die schwarze Tinte darin aufzunehmen; feste Tuschesteine, Becher, Beutel mit zermahlenen Pigmenten, Beutel mit Pinseln, Schabmessern, Gummi; steinerne Mörser, Leinenschnürchen; ein Schildkrötenpanzer, um Mischungen vorzunehmen; eine irdene Pavianfigur, die Thot, den Herrn der Hieroglyphen, beschwor; Kalksteinstücke, die für Entwürfe benutzt wurden; Tafeln aus Ton, Kalk und Holz. Alles war von besonderer Güte.
    In einem Kästchen aus Akazienholz ruhte einer der kostbarsten Gegenstände: eine Wasseruhr. Das kleine, kegelstumpfförmige Gefäß war im Innern nach zwei unterschiedlichen Maßeinheiten durch zwölf Kerben eingeteilt; das Wasser lief durch ein Loch im Boden der Uhr aus und maß auf diese Weise die Stunden. Ohne Zweifel mußte der Gerichtsschreiber es wohl als notwendig erachten, über die bei seiner Arbeit verbrachte Zeit genauestens zu wachen. Eine Pflicht drängte sich vor allen anderen auf. Paser nahm einen feinst zugeschnittenen Binsenpinsel, tauchte die Spitze in einen mit Wasser gefüllten Becher und ließ einen Tropfen auf die Palette fallen, derer er sich bedienen wollte. Er murmelte das Gebet, das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher