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Das Testament der Götter

Das Testament der Götter

Titel: Das Testament der Götter
Autoren: Christian Jacq
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Euch wiederzusehen, Branir; dies also ist Euer Schützling.«
    »Paser ist sehr bewegt.«
    »Eine keineswegs tadelnswerte Regung in Anbetracht seines Alters. Ist er gleichwohl bereit, seine neuen Ämter auszufüllen?«
    Durch den leisen Spott der hohen Persönlichkeit verletzt, wandte Paser forsch ein: »Solltet Ihr daran zweifeln?«
    Der Beauftragte runzelte die Augenbrauen. »Ich entführe ihn Euch, Branir; wir müssen zur Einsetzung schreiten.«
    Der warmherzige Blick des alten Arztes flößte seinem Schüler den Mut ein, der ihm noch fehlte; welche auch immer die Schwierigkeiten sein mochten, er wollte Branir Ehre machen. Paser wurde in einen kleinen, rechteckigen Raum mit weißen, nackten Wänden geführt; der Bevollmächtigte forderte ihn auf, sich im Schneidersitz auf einer Matte dem Ehrengericht gegenüber niederzulassen, das sich aus ihm selbst, dem Gaufürsten von Memphis, dem Vertreter des Hauses der Arbeit und einem der Gottesdiener des Ptah zusammensetzte, welcher einen hohen Rang in der geistlichen Obrigkeit einnahm. Alle vier hatten schwere Perücken auf den Häuptern und waren mit weiten Schurzen gewandet. Die Gesichter drückten keinerlei Regung aus.
    »Ihr befindet Euch am Ort der ›Ermittlung des Unterschiedes‹ {14} «, verkündete der Beauftragte des Wesirs und Vorsteher der Gerichtsverwaltung. »Hier werdet Ihr zu einem sich von anderen unterscheidenden Manne werden, der gehalten sein wird, über seinesgleichen zu richten. Wie Eure Amtsgenossen im Gau Gizeh werdet Ihr Ermittlungen führen, den unter Eurer Amtsgewalt stehenden örtlichen Gerichten Vorsitzen und Euch Euren Vorgesetzten anheimstellen, wenn die Angelegenheiten Eure Befugnisse übersteigen. Verpflichtet Ihr Euch dazu?«
    »Ich verpflichte mich dazu.«
    »Seid Ihr Euch bewußt, daß dieses Ehrenwort nicht zurückgenommen werden kann?«
    »Dessen bin ich mir bewußt.«
    »So möge dieses Gericht nun gemäß den Geboten der Maat verfahren und über den zukünftigen Richter richten.«
    Der Gaufürst hob mit dunkler und gemessener Stimme an: »Welche Art von Geschworenen werdet Ihr einberufen, um Euer Gericht zusammenzustellen?«
    »Schreiber, Handwerker, Ordnungshüter, Männer von Erfahrung, ehrwürdige Frauen, Witwen.«
    »In welcher Weise werdet Ihr in deren Beratungen eingreifen?«
    »In keiner Weise. Ein jeder wird sich unbeeinflußt aussprechen können, und ich werde jede Ansicht achten, um mein Urteil zu bilden.«
    »Unter allen Umständen?«
    »Mit Ausnahme eines einzigen: wenn einer der Geschworenen bestochen worden wäre. Dann würde ich die laufende Verhandlung unterbrechen, um ihn unverzüglich unter Anklage zu stellen.«
    »Wie müßt Ihr im Falle eines Verbrechens vorgehen?« fragte der Vertreter des Hauses der Arbeit. »Eine Voruntersuchung führen, einen Vorgang anlegen und diesen an das Amt des Wesirs weiterleiten.« Der Gottesdiener des Ptah legte seine rechte Hand quer über seine Brust, die geschlossene Faust gegen die Schulter gepreßt.
    »Keine Handlung wird beim Gericht des Jenseits vergessen werden; dein Herz wird auf eine der Waagschalen gelegt und gegen die Maat gewogen werden. Wie wurde das Gesetz weitergegeben, dem du Achtung verschaffen mußt?«
    »Es gibt zweiundvierzig Gaue und zweiundvierzig Gesetzesschriftrollen; sein Geist jedoch wurde nicht aufgeschrieben und darf auch nicht aufgeschrieben werden. Die Wahrheit kann nur auf mündlichem Wege, aus dem Mund des Meisters zum Ohr des Lernenden, weitergegeben werden.« Der Diener des Ptah lächelte; doch der Bevollmächtigte des Wesirs war noch nicht zufrieden. »Wie legt Ihr die Maat aus?«
    »Sie ist Brot und Bier.«
    »Was bedeutet diese Antwort?«
    »Gerechtigkeit für alle, für Hohe und Niedere.«
    »Weshalb wird die Maat durch eine Straußenfeder versinnbildlicht?«
    »Weil Maat Fährmann zwischen unserer Welt und der der Götter ist; die Feder ist das Steuer, das Ruder des Vogels wie das des Wesens. Die Maat, der Hauch des Lebens, muß in der Nase des Menschen verbleiben und das Übel der Herzen und der Körper vertreiben. {15} Falls die Gerechtigkeit verschwände, würde das Korn nicht mehr gedeihen, die Aufständischen würden die Macht übernehmen, und die Gottesfeste würden nicht mehr begangen werden.« Der Gaufürst erhob sich und legte vor Paser einen Kalkquader nieder.
    »Legt Eure Hand auf diesen weißen Stein.« Der junge Mann gehorchte. Er war vollkommen ruhig.
    »Möge er Zeuge Eures Eides sein; er wird sich auf ewig der Worte entsinnen,
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