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Das Testament der Götter

Das Testament der Götter

Titel: Das Testament der Götter
Autoren: Christian Jacq
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erneut die Landluft zu kosten; als Träger der richterlichen Ausrüstung schritt er kräftig aus, während Brav in der Gegend umherstreunte und freudig ein paar Vögel aufscheuchte. Wie gewohnt hatte Wind des Nordens sogleich die Ohren gespitzt, als der Richter ihm andeutete, daß sie sich zum Gut des Zahnheilkundlers Qadasch begeben würden, das zwei Stunden Fußmarsches südlich der Hochebene von Gizeh lag; der Esel hatte ohne Zögern die rechte Richtung eingeschlagen.
    Paser wurde überaus herzlich vom Gutsverwalter begrüßt. Dieser war nur zu glücklich, einen befugten Richter empfangen zu können, welcher geneigt war, ein Geheimnis aufzuklären, das das Leben der Viehhirten vergiftete. Diener wuschen ihm die Füße, boten ihm einen neuen Schurz an und machten sich dazu noch anheischig, ihm den, den er trug, zu säubern; zwei junge Burschen fütterten den Esel und den Hund. Qadasch wurde über die Ankunft des Amtmannes benachrichtigt, und man errichtete in aller Eile einen erhöhten Bretterboden mit einem rotschwarzen, von Lotossäulchen getragenen Himmel darüber; vor Sonne geschützt, würden sich hierunter Qadasch, Paser und der für die Herden zuständige Schreiber niederlassen.
    Als dann der Gebieter des Anwesens erschien, mit einem langen Stab in der rechten Hand und von Trägern mit seinen Sandalen, seinem Sonnenschirm und seinem Prunkstuhl gefolgt, begannen Musikantinnen sistrum {19} und Flöte zu spielen, und junge Bäuerinnen reichten ihm Lotosblüten dar. Qadasch war ein Mann um die Sechzig mit üppiger, weißer Haarpracht; ein großer Mann mit einer auffallenden, von violetten Äderchen durchzogenen Nase, niedriger Stirn und vortretenden Wangenknochen, der sich häufig die tränenden Augen wischte.
    Paser wunderte sich über die rote Verfärbung seiner Hände; ganz ohne Zweifel litt der Zahnheilkundler an einem schlechten Blutkreislauf. Qadasch maß ihn mit argwöhnischem Blick. »Also Ihr seid der neue Richter?«
    »Zu Euren Diensten. Es ist erfreulich festzustellen, daß die Bauern fröhlich sind, wenn der Gebieter des Anwesens ein edles Herz besitzt und den Stab fest in Händen hält.«
    »Ihr werdet es weit bringen im Leben, junger Mann, wenn Ihr die Hohen achtet.«
    Der Zahnheilkundige, dessen Sprache ungelenk wirkte, war fein gewandet. Geschlitzter Prunkschurz, Wams aus Raubtierleder, eine Halskette von sieben Reihen blauer, weißer und roter Perlen sowie Armreife an den Handgelenken verliehen ihm ein stattliches Aussehen.
    »Setzen wir uns«, schlug er vor. Er selbst nahm auf seinem Lehnstuhl aus bemaltem Holz Platz; Paser ließ sich auf einem kubischen Sitz nieder. Vor ihm wie vor dem Schreiber der Herden stand ein kleiner, niedriger Tisch, der für das Schreibzeug vorgesehen war.
    »Eurer Erklärung zufolge«, erinnerte der Richter, »besitzt Ihr einhunderteinundzwanzig Stück Rindvieh, siebzig Schafe, sechshundert Ziegen und ebenso viele Schweine.«
    »So ist es. Bei der letzten Zählung, vor zwei Monaten, fehlte ein Ochse! Nun ist aber mein Vieh von großem Wert; das magerste Stück könnte leicht gegen ein Leinengewand und zehn Sack Gerste eingetauscht werden. Ich will, daß Ihr den Dieb festsetzt.«
    »Habt Ihr Eure eigene Untersuchung durchgeführt?«
    »Das ist nicht meines Amtes.« Der Richter wandte sich an den auf einer Matte sitzenden Schreiber der Herden. »Was habt Ihr in Euren Verzeichnissen vermerkt?«
    »Die Anzahl der Tiere, die man mir vorgezeigt hat.«
    »Wen habt Ihr befragt?«
    »Niemanden. Meine Arbeit besteht im Schreiben, nicht im Befragen.«
    Paser würde nichts weiter aus ihm herausbringen; gereizt zog er aus seinem Korb ein mit einer feinen Gipsschicht überzogenes Täfelchen aus Sykomore, einen zugeschnittenen Binsenpinsel von fünfundzwanzig Zentimetern Länge sowie einen Wasserbecher hervor, in dem er die schwarze Tinte anrührte. Als er bereit war, gab er dem Gutsverwalter einen Wink, die Vorführung zu beginnen. Mit einem leichten Klaps auf den Hals des ungeheuren Ochsen an der Spitze trieb dieser den Zug an. Das Tier setzte sich behäbig in Bewegung, von seinen schweren und friedlichen Artgenossen gefolgt. »Herrlich, nicht wahr?«
    »Ihr mögt dem Züchter meine Anerkennung ausdrücken«, empfahl Paser.
    »Der Dieb muß ein Hethiter oder ein Nubier sein«, meinte Qadasch. »Es gibt viel zu viele Fremde in Memphis.«
    »Ist Euer Name nicht libyschen Ursprungs?« Der Zahnheilkundler verbarg seine Verärgerung nur schlecht.
    »Ich lebe seit langer Zeit in
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