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Das Testament der Götter

Das Testament der Götter

Titel: Das Testament der Götter
Autoren: Christian Jacq
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Gewiß, das Dorf war recht fern, doch dem alten Arzt war es gelungen, etwas vom Duft der ländlichen Heimat in der Stadt zu bewahren. Branir stand auf der Schwelle. »Ist deine Reise gut verlaufen?«
    »Der Esel und der Hund sind durstig.«
    »Ich kümmere mich um sie; hier hast du ein Becken, damit du dir die Füße waschen kannst, und Brot, auf das ich Salz gestreut habe, um dich willkommen zu heißen.«
     
    Über einige Stufen stieg Paser in den ersten Raum hinunter; er sammelte sich vor einer kleinen Nische, welche die Statuetten der Ahnen barg. Dann entdeckte er den Empfangsraum, dessen Decke von zwei farbigen Säulen getragen wurde; an den Wänden standen der Aufbewahrung dienende Schränke und Truhen. Auf dem Boden lagen Matten. Eine kleine Werkstatt, ein Baderaum, eine Küche, zwei Kammern und ein Keller vervollständigten das wohlige Heim. Branir lud seinen Gast ein, die Treppe zur Terrasse zu erklimmen, wo er kühle Getränke und dazu mit Honig gefüllte Datteln sowie Backwaren aufgetischt hatte.
    »Ich fühle mich verloren«, gestand Paser. »Das Gegenteil hätte mich überrascht. Ein gutes Abendmahl, eine Nacht Ruhe, und du wirst der feierlichen Einsetzung standhalten können.«
    »Schon morgen?«
    »Die Fälle stapeln sich.«
    »Ich hätte mich gerne erst einmal in Memphis eingewöhnt.«
    »Die Ermittlungen werden dich dazu nötigen. Hier ein Geschenk, da du ja noch nicht im Amt bist.« Branir überreichte Paser das Buch der Unterrichtung der Schreiber. Es ermöglichte ihnen, bei jeder Gelegenheit die angemessene Haltung dank der Achtung der Hierarchie einzunehmen. An der Spitze standen die Götter, die Göttinnen, die im Jenseits verklärten Geister, PHARAO und die Königin; dann die Königsmutter, der Wesir, der Rat der Weisen, die hohen Gerichtsbeamten, die Heerführer und die Schreiber des Hauses der Bücher. Es folgte eine Vielzahl von Ämtern, die, über PHARAOS Beauftragte in der Fremde, vom Leiter des Schatzhauses bis zum Vorsteher der Kanäle reichten.
    »Ein Mann mit ungestümem Herzen kann nur ein Unruhestifter sein und ein Schwätzer ebenso; wenn du stark sein möchtest, werde zum Schmied deiner Worte, forme sie aus, denn die Sprache ist die mächtigste Waffe für den, der sie zu handhaben versteht.«
    »Ich vermisse das Dorf.«
    »Du wirst es dein ganzes Leben lang vermissen.«
    »Weshalb habt Ihr mich hierher berufen?«
    »Es ist dein eigenes Verhalten, das dein Geschick bestimmt.«
     
    Paser schlief wenig und schlecht, seinen Hund zu seinen Füßen und den Esel an seinen Kopf gebettet. Die Ereignisse nahmen einen allzu raschen Verlauf und ließen ihm keine Zeit, sein Gleichgewicht wiederzuerlangen; von einem Strudel erfaßt, verfügte er nicht mehr über seine gewohnten Bezugspunkte und mußte sich widerstrebend in ein Abenteuer mit ungewissen Wendungen einlassen.
     
    Bereits bei Sonnenaufgang wachte er auf, nahm dann ein Schwallbad, reinigte seinen Mund mit Natron {13} und verzehrte in Gesellschaft von Branir sein Morgenmahl, der ihn darauf den Händen eines der besten Bader der Stadt überantwortete. Der Bader, der seinem Kunden gegenüber und wie dieser auf einem dreibeinigen Hocker saß, benetzte Pasers Haut und rieb sie mit sämigem Schaum ein. Aus einem Lederfutteral zog er ein aus einer Kupferklinge mit Holzgriff bestehendes Rasiermesser hervor, das er in vollendeter Geschicklichkeit handhabte. Wohlriechend und mit einem neuen Schurz sowie einem weiten, durchsichtigen Oberhemd bekleidet, schien Paser nun bereit, der Prüfung mutig entgegenzutreten.
    »Ich habe den Eindruck, verkleidet zu sein«, vertraute er Branir an.
    »Die Erscheinung ist unbedeutend, aber vernachlässige sie nicht; wisse, das Ruder zu führen, damit der Fluß der Tage dich nicht vom Recht entferne, denn das Gleichgewicht eines Landes hängt von dessen Anwendung ab. Sei deiner selbst würdig, mein Sohn.«

3. Kapitel
    Paser folgte Branir, der ihn in das Viertel des Ptah im Süden der alten Feste mit weißen Mauern geleitete. Über das Schicksal des Esels und des Hundes machte er sich keine Sorgen; um sein eigenes war dem jungen Mann schon eher bange. Unweit des Palastes waren mehrere Verwaltungsgebäude errichtet worden, deren Zugänge von Soldaten bewacht wurden. Der ehrwürdige Arzt wandte sich an einen Ranghöheren; nachdem dieser sein Ersuchen angehört hatte, entfernte er sich für einige Augenblicke und kam im Beisein eines hohen Gerichtsbeamten, eines Beauftragten des Wesirs, zurück. »Hocherfreut,
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