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Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
Autoren: Marisa Brand
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Verlangen.
    Herr im Himmel, er hatte es mit einer Gegnerin zu tun, die ihm gefährlich werden konnte. Sie verbarg mehr als ein paar Staatsgeheimnisse, genauso wie er. Und sie reizte ihn tatsächlich. Er streifte ihre Haube ab, ihr Haar glitt in weichen Wellen über seine Hände. Cass zog sanft seinen Kopf zu sich herab, küsste ihn schmelzend, teilte seine Seidenlippen mit der Zunge. Nicht drängend, sondern kostend. Abrupt unterbrach sie das lockende Spiel.
    »Das ist schön«, stellte sie im Ton der Unschuld fest. Flüsternd fuhr sie fort. »Es vergeht keine Nacht, in der ich mich nicht nach dir verzehre.« Dann entriss sie ihm die Haube, schlang ihr Haar zu einem Knoten und setzte sie wieder auf.
    Nom de Dieu! Entweder sie war das abgefeimteste Weibstück, das ihm je begegnet war, oder sie war eine ganz und gar neue Erfahrung.
    De Selve packte Cass bei den Schultern und drängte sie zu seinem Bett. Geschmeidig wie eine Katze entwand sie sich seinem Griff und winkelte blitzschnell den Ellbogen an. »So nicht, Monsieur!« Der Stoß traf den Marquis genau unter dem Rippenbogen. De Selve krümmte sich jaulend.
    »Verzeih«, stieß Cass erschrocken hervor. Schweigen und das Keuchen des Marquis füllten die Stille.
    »Das wollte ich nicht. Aber die Wonnen der Lust kann ein Mann wie du von allen Frauen haben. Du solltest wissen, was zu tun ist, bevor ich mich dir hingeben kann«, sagte die Betschwester. Fast feierlich fuhr sie fort: »Mit dem Verblassen der Begierde verblasst gemeinhin auch die Liebe. Versteh mich recht, ich bin nicht ohne Leidenschaft, aber ich wünsche mir Dauer. Alles andere hat keinen Wert.«
    Der Marquis verstand durchaus und schwieg, zumal er nach Luft schnappte.
    »Ich erwarte deine Antwort wie immer in der Kapelle beim Themsekai.« Sie drehte sich um und öffnete die Tür, verharrte zögernd auf der Schwelle, sagte mit dem Rücken zu ihm: »Ich möchte dich wirklich lieben, Antoine de Selve, und ich weiß, dass ich es kann. Nichts anderes erwarte ich von dir.«
    Die Tür fiel wieder ins Schloss. Diesmal mit höhnischem Kreischen, wie dem Marquis schien.
    Noch immer rang er nach Atem. Diese Cass, dieses halbe Kind, war alles andere als lammfromme Demut. Sie war eine Herausforderung. Pas du tout! Er würde sie annehmen und siegen. Was sonst.

3.
    Z URÜCK IN N EWGATE
    Der Prophet hatte die Lider geschlossen. Tiefe Stille senkte sich über den Käfig. Die Schultern des Weisen fielen herab, er glitt ins Stroh und kippte zur Seite, wie eine Marionette, deren Fäden plötzlich durchtrennt werden. Flammen schössen aus Nats Binsenfackel empor, leckten an den Käfigstäben. Ihr Knistern schwoll in den Ohren des Pagen zu einem Fauchen und Tosen.
    »Was soll das? Was ist mit ihm?«, rief der Page gegen den Lärm in seinem Kopf an und sprang auf die Füße.
    Der Junge legte den Zeigefinger an die Lippen. Aus seiner Fackel regneten bunte Funken. Ein Alchemistenstreich? Einer der Narren streckte die Zunge heraus und versuchte, die Funken zu fangen. Ein zweiter stimmte Psalmengesänge an, die anderen fielen ein.
    »Für Gottesschimpf und Blendwerk zahl ich kein Geld!«, schrie der Page.
    Die Gesänge verstummten. Nicht wegen seines Geschreis, sondern weil Enoch eine Hand hob. Er setzte sich in einer vollendet fließenden Bewegung auf, als zöge er sich am eigenen Schopf in die Höhe. Noch im selben Augenblick stand er kerzengerade da, ein Vorbild an vollkommener Körperbeherrschung nach Art der biblischen Wüstenväter, die Jahrzehnte, stehend auf Steinen, verharren konnten. Betend, schlafend, wachend.
    Das musste ein Trick sein! Dieser Malefizbub spielte zu Anfang den Krüppel, um hernach mit dieser Wiederauferstehung zu verblüffen. Der Schaf markt in York war voller von Betrügern, die ähnliches Gaukelwerk vorführten. Hielt dieser geriebene Galgenstrick ihn für einen Bauerntölpel?
    Master Enoch schlug die Augen auf. Der Page prallte vom Gitter zurück. Der Blick des Propheten traf ihn wie ein Blitzstrahl von solcher Kraft, dass er wieder auf die Knie fiel. Zu seinem Entsetzen musterten ihn diesmal zwei Pupillen. Zwei! Das linke Auge des Sehers war nicht mehr blind, sondern klar und silbern wie das rechte.
    Enochs Lippen hoben sich zu einem verzückten Lächeln.
    »Die Engel haben zu mir gesprochen. Höre meinen Rat. Geh, mein Sohn. Gehe in Frieden.«
    »Wie?«
    »Genieße dein Leben als Lämmerhirt. Dafür bist du geschaffen. Der Herr hat dich nicht umsonst auf deinen Platz gestellt. Kleiner Nat, mit
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