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Das stumme Lied

Titel: Das stumme Lied
Autoren: Peter Robinson
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verunstalteten Ohren, bereit zum Einschreiten.
      »Okay, dann leck mich«, sagte Hugo. »Meinen Drink kannst du auch haben.« Damit schüttete er den Rest seines Guinness in das Gesicht des Wirtes.
      Les machte einen Schritt nach vorn, doch der Wirt streckte einen Arm aus, um ihn zurückzuhalten. »Wir wollen keinen Ärger, Jungs und Mädels«, sagte er mit betont ruhiger Stimme. »Ihr hattet euren Spaß. Warum geht ihr jetzt nicht einfach und feiert woanders weiter?«
      »Genau, Hugo«, sagte Kirsten und zog an seinem Ärmel. »Der Mann hat Recht. Wir kriegen hier nirgendwo mehr zu trinken, hat doch keinen Sinn, Streit anzufangen, nicht heute Abend. Lass uns zu Russells Party gehen.«
      Hugo setzte sich beleidigt hin und starrte stirnrunzelnd auf sein Pintglas, als würde er nun bereuen, das Bier verschwendet zu haben. »Na gut«, sagte er und sah dann wieder finster den Wirt an. »Aber gerecht ist das nicht. Da zahlt man für seinen Drink und dieses Arschloch schnappt ihn dir weg. Wir sollten wenigstens unser Geld zurückkriegen. Wie lange sind wir jetzt hier hergekommen? Zwei Jahre. Und dann wird man so behandelt.«
      »Komm schon, Hugo.« Damon klopfte ihm auf die Schulter, dann standen alle auf. »Es wäre tatsächlich ein großes Vergnügen, diesen Gauner in einem Fass süßen Wein zu ertränken, aber ...« Er schob seine Brille zurück auf den Nasenrücken und zuckte mit den Achseln. »Tempus fugit, alter Knabe.« Mit seinen kurzen Haaren und dem jungenhaften Äußeren wirkte er wie ein Gymnasiast aus früheren Zeiten. Theatralisch warf er seinen Schal um den Hals und kippte mit dem Ende ein Glas auf dem Tisch um. Es rollte zur Kante, schwankte dort unentschlossen hin und her, hielt dann für einen Augenblick inne, bevor es zu Boden fiel. Der Wirt stand mit verschränkten Armen geduldig daneben, während Les bereit für eine Prügelei aussah.
      »Faschistische Arschlöcher«, keifte Sarah und nahm ihre Handtasche.
      Sie traten einen hastigen und lärmenden Rückzug aus dem Pub an, wobei sie »Johnny B. Goode« sangen, den Song, der gerade in der Jukebox gelaufen war, als der Wirt den Stecker herausgezogen hatte.
      »Also gehen wir zu Russell?«, fragte Hugo.
      Jeder war einverstanden. Niemand hatte eine Flasche zum Mitbringen dabei, doch der gute alte Russell tischte immer ordentlich auf. Er hatte eine Menge Geld, schließlich war sein Vater eine Koryphäe an der Börse. Wahrscheinlich machte er sein Geld mit nicht ganz astreinen Insidergeschäften, vermutete Kirsten. Aber stand es ihr zu, die Klappe aufzureißen?
      Und so marschierten die vier hinaus in eine laue Juninacht - nur Damon trug einen Schal, weil er sich exzentrisch geben wollte - und gingen über den verlassenen Campus zu den Wohnheimen. Hugo, Sarah, Kirsten und Damon waren alle Englischstudenten im letzten Semester. Aus der Clique fehlte nur Galen, Kirstens Freund. Gleich nach den Prüfungen war seine Großmutter gestorben, weshalb er nach Kent geeilt war, um seine Mutter zu trösten und ihr bei der Organisation der Beerdigung zu helfen.
      Kirsten fühlte sich etwas beschwipst, als sie zum Oastler-Wohnheim und dann die ausgetretenen Stufen hinauf zu Russells Zimmer eilten. Sie vermisste Galen und wünschte, er könnte hier sein, um mitzufeiern - besonders da sie ihr Examen mit einer Eins bestanden hatte. Andererseits hatte sie schon so viele Gratulationen erhalten, dass die ganze Sache sie bereits gehörig langweilte. Nun war es an der Zeit, rührselig zu werden und Abschied zu nehmen, denn morgen würde sie nach Hause aufbrechen. Wenn sie nur Hugos Krakenarme auf Distanz halten könnte ...
      Die Party schien sich über den gesamten Flur und die angrenzenden Zimmer ausgebreitet zu haben. Selbst wenn sie gewollt hätten, was unwahrscheinlich war, hätten Russells Nachbarn kaum Schlaf gefunden. Nach allen Seiten grüßend drängelten sich die Neuankömmlinge durch die Menge in das verrauchte Apartment. Im Wohnzimmer brannte so gut wie kein Licht, mit Getränken in den Händen tanzten Paare zu Velvet Undergrounds »Sweet Jane«. Russell selbst lehnte neben dem Fenster und sprach mit Guy Naburn, einem hippen Tutor, der lieber mit den Studenten als mit seinen Kollegen herumhing, und begrüßte die vier, als sie hereintaumelten.
      »Hoffentlich hast du noch was zu trinken da«, rief Hugo über die Musik. »Wir sind gerade aus dem Ring O'Bells rausgeschmissen worden.«
      Russell lachte. »Dafür verdient ihr nur
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