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Das stumme Lied

Titel: Das stumme Lied
Autoren: Peter Robinson
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nicht erinnern, was dann passierte. Irgendwie ging es darum, dass die Bürger von Ninive Buße taten und Reue zeigten, was Jona, nach allem was er hinter sich hatte, nicht besonders gefiel, doch wie die Geschichte ausging, wusste Martha nicht mehr. Dennoch erschien sie ihr bemerkenswert passend. Auch sie hatte zu Anfang gegen ihr Schicksal angekämpft, inzwischen jedoch akzeptiert, dass sie eine heilige Mission zu erfüllen hatte. Sie war nach Ninive gegangen, wo das Böse hauste, und ganz egal was passierte, dieses Mal würde es keine Gnade geben.
      Gleich hinter dem Kieferknochen schaute die Statue von Captain Cook mit zusammengerollten Karten unter dem Arm zuversichtlich aufs Meer. Cook hatte seine Seemannskenntnisse auf den Kohlenschiffen Whitbys erlernt, hatte Martha gelesen, und die Schiffe, die er auf seinen langen und abenteuerlichen Reisen in die Südsee befehligt hatte, waren hier erbaut worden, im unteren Hafen, wo nun dieser rostige Kahn ankerte. Die Endeavour und die Resolution. Anstrengung und Entschlossenheit. Gute Namen, dachte sie.
      An der Royal Crescent, einem eleganten, dem Meer zugewandten Straßenzug in Form eines Halbkreises, lagen eine Reihe privater Hotels, die freie, aber zu teure Zimmer hatten. Sie würde möglicherweise ein oder zwei Wochen bleiben müssen und da wären über zehn Pfund pro Nacht zu viel. Es war eine Schande, denn diese Hotels waren wahrscheinlich wesentlich komfortabler als diejenigen, mit denen sie vorlieb nehmen musste. Doch ein Zimmer mit Bad und Farbfernseher war zu viel verlangt. Und für den Seeblick musste man noch zusätzlich zahlen. Wie oft sitzen die Leute im Urlaub eigentlich in ihrem Zimmer und bewundern den Ausblick?, fragte sich Martha. So gut wie nie. Doch was zählte, war die Gewissheit, dass es ihn gab, wenn man hinausschauen wollte. Und dieses Privileg kostete Geld.
      Die Promenade am West Cliff war mit der Sorte gewaltiger viktorianischer Hotels gesäumt, die in den meisten Küstenstädten erbaut wurden, seit Ferien am Meer in Mode gekommen waren. Da Martha wusste, dass auch keines dieser Hotels für sie in Frage kam, bog sie hinab in die Crescent Avenue, um sich eine billige Pension in einer unauffälligen Seitenstraße zu suchen.
      Wie sich herausstellte, war die Abbey Terrace nicht völlig reizlos. Sie senkte sich steil zur Flussmündung, endete jedoch an der East Terrace, ehe sie die Strandpromenade erreichte, und zeichnete sich durch eine Reihe großer Gasthäuser aus, die alle von RCA oder AA empfohlen wurden. Bei vielen hingen sogar Preislisten im Fenster, und Martha wählte eines aus, das neun Pfund fünfzig pro Nacht kostete.
      Während sie sich den Schweiß mit dem Handrücken von der Stirn wischte, öffnete sie die schmiedeeiserne Gartenpforte und ging den Pfad hinauf.
     
     

* 2
    Kirsten
     
    »Na los, Leute, trinkt aus! Habt ihr kein Zuhause, oder was?« Der Wirt des Ring O'Bells stimmte sein allnächtliches Gejammer an, als er zu Kirstens Tisch kam, um die Gläser einzusammeln. »Es ist halb zwölf. Ich werde meine Lizenz verlieren.«
      »Immer mit der Ruhe«, sagte Damon und hob die Hand wie ein Stoppzeichen. »Wissen Sie denn nicht, dass Semesterende ist? Wissen Sie nicht, dass dies das Ende unseres letzten Jahres in diesem Kaff ist?«
      »Ist mir scheißegal«, knurrte der Wirt. »Wird Zeit, dass ihr verschwindet und nach Hause ins Bett geht.« Er schnappte sich ein halb volles Glas vom Tisch.
      »Hey, das war mein Drink!«, sagte Sarah. »Ich habe noch nicht ausgetrunken.«
      »Doch, hast du, meine Liebe.« Er blieb hartnäckig. Obwohl kein großer Mann, war er schnell und kräftig genug, um mit einem Haufen betrunkener Studenten fertig zu werden. »Raus, alle. Und zwar sofort! Na los!«
      Hugo stand auf. »Einen Moment. Sie hat diesen Drink bezahlt und sie hat das verdammte Recht, ihn auszutrinken.« Mit den blonden Locken und den breiten Schultern sah er eher aus wie ein Rugbyspieler als wie ein Englischstudent.
      Kirsten seufzte. Sie spürte, dass Ärger in der Luft lag. Damon war betrunken, und Hugo war so stolz und töricht, dass er selbst nüchtern eine Prügelei provozieren würde. Das hatte ihr am letzten Abend des Studiums gerade noch gefehlt.
      Der Wirt tippte auf seine Uhr. »Um diese Zeit hat sie kein Recht dazu. So will es das Gesetz.«
      »Werden Sie ihr den Drink zurückgeben?«
      »Nein.«
      Hinter ihm stand sein Mitarbeiter Les, ein ehemaliger Boxer mit schiefer Nase und
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