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Das Steinbett

Das Steinbett

Titel: Das Steinbett
Autoren: Kjell Eriksson
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streitet sich nicht ab und zu.«
    »Hatten Sie ein gutes Verhältnis zu Ihrer Tochter?«
    Er nickte. Seine Hand strich fahrig über das Wachstuch.
    »Wie fanden Sie Sven-Erik?«
    »Er … er hat viel gearbeitet. Josefin hat sich manchmal darüber beklagt. Seit er die neue Stelle hat, ist er oft fortgewesen. Hierhin und dahin gefahren.«
    »Sie meinen, daß er Dienstreisen unternommen hat.«
    Erneutes Nicken.
    »Sie wissen, daß er verschwunden ist. Was denken Sie, wo er jetzt sein könnte?«
    Josefins Vater antwortete nicht.
    »Gibt es gar keinen Ort, den Sie sich vorstellen könnten?«
    »Wenn überhaupt, dann Spanien. Dort fliegt er oft hin.«
    »Wohin in Spanien?«
    »Das weiß ich nicht. Er hat nur Spanien gesagt.«
    Lindell schwieg eine Weile. Holger Johanssons Nachbarin tauchte im Garten auf. Sie war bei ihm im Haus gewesen, als Lindell eintraf. Sie ahnte, daß die beiden mehr als Nachbarn waren, und war froh darüber, daß Josefin Cederéns Vater nicht ganz allein bleiben würde.
    Die Frau rupfte Unkraut zwischen den Sommerblumen und schaute ab und zu zum Haus hinauf.
    »Ich kann es einfach nicht fassen, daß Emily tot ist.«
    Er sah Lindell an, grenzenloses Erstaunen im Blick, und sie wußte bereits, was er als nächstes sagen würde. »Eine Sechsjährige. Sie hat doch nichts Böses getan. Wenn es bloß mich getroffen hätte. Nur gut, daß Inger nicht mehr am Leben ist.«
    Lindell begriff, daß er seine Frau meinte.
    Er verstummte und sah zum Fenster hinaus. »In letzter Zeit war da was. Sie sind immer vorbeigekommen, nicht jeden Tag, aber oft. Früher hat sie den Kinderwagen genommen. Sie ist gern spazierengegangen. Dann fingen sie an radzufahren. Manchmal sind sie jeden Vormittag hier gewesen. Vera und ich trinken um halb elf immer Kaffee.«
    »Und in letzter Zeit hat sich etwas verändert?«
    »Ich hatte das Gefühl. Jossan kam mir irgendwie abwesend vor, mehr als sonst, so als hätte sie etwas auf dem Herzen. Ich habe sie einmal darauf angesprochen. Sie hat nur gelächelt und gesagt, es sei alles in Ordnung, aber ein Vater hat Augen …«
    Holger Johansson sackte über dem Küchentisch zusammen. Anscheinend hatte Vera damit schon gerechnet, denn im gleichen Augenblick öffnete sich die Haustür. Ohne Lindell anzusehen, ging Vera zu dem Mann und legte ihm den Arm um die Schultern. Lindell betrachtete die Hand, die auf der Schulter des Mannes ruhte. Die Frau schmiegte ihren Kopf an seinen ergrauten Schädel. Ihre Hand war voller Leberflecke, und das so ungestüm gejätete Unkraut hatte grüne Streifen und Flecken hinterlassen. Lindell betrachtete die Hand, und ihre Gedanken wanderten zwischen ihrem Elternhaus in Ödeshög und dem kleinen Mädchen am Straßenrand hin und her. Auch Edvard und die alte Viola in ihrem Haus auf Gräsö glaubte sie vor sich zu sehen.
    Sie erhob sich ganz langsam und legte die Hand auf die Schulter der Frau. Vera blickte mit ausdruckslosem Gesicht zu ihr hoch. Als Lindell sich ein letztes Mal umschaute, hatte die Frau sich aufgerichtet und sah zum Fenster hinaus. Lindell folgte ihrem Blick. Der falsche Jasmin auf dem Hof blühte.
    Der Mann kratzte sich wieder am Kopf, und Lindell entdeckte eine Wunde, die durch das schüttere, nach hinten gekämmte Haar hindurchschien.
     
    Lindell fuhr vom Hof und wäre dabei beinahe mit einem Pfeiler der Toreinfahrt kollidiert. Nach fünfzig Metern bremste sie und hielt an. Sie konnte das Bild nicht von der Netzhaut verbannen und weinte lautlos, während sie an den geschundenen Körper des Mädchens dachte. Sie war aufgewühlt. Kinder, die ermordet wurden, denn mittlerweile ging sie von einem Mord aus, waren für sie schlimmer als alles andere. Erst einmal hatte sie zuvor eine Kinderleiche gesehen. Damals war sie Polizeianwärterin und zwanzig Jahre alt gewesen. Das lag jetzt fünfzehn Jahre zurück. In dem Fall war es um eine geistig verwirrte Mutter gegangen, die ihr Baby in seinem Gitterbettchen erwürgt hatte. Schrecklich genug, aber das hier war schlimmer. Lag es am Sommer, an der idyllischen Landschaft, den zarten Gliedern des Mädchens, die aus ihren Kleidern hervorschauten, oder an der Tatsache, daß sie Blumen gepflückt hatte?
    Lindell kurbelte das Seitenfenster herunter. Seit der Kaffeepause am Morgen hatte sie nichts mehr gegessen, und ihr war hundeelend zumute. Es war zwar schon sechs Uhr, aber es war immer noch ein herrlicher Tag. Sie holte ein paarmal tief Luft, und die Übelkeit ließ nach.
    Sven-Erik Cederén, wo hielt er sich
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