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Das Steinbett

Das Steinbett

Titel: Das Steinbett
Autoren: Kjell Eriksson
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nehmen, hierzubleiben und ihnen zuzuhören, dachte Lindell, aber weil sie sich so sehr wünschte, endlich ihre Ruhe zu haben, speiste sie die Nachbarn mit einigen wenigen Höflichkeitsfloskeln ab.
    Sie kehrte auf den Hof zurück. Fredrikssons Wagen parkte vor dem Hauseingang. Er war fast wieder ganz der alte. Nach einem schweren Herbst und der Mörderjagd im Winter hatte er sich krankschreiben lassen. Niemand glaubte, daß Fredriksson ins Kommissariat zurückkehren würde, aber rechtzeitig zu komplizierten Ermittlungen im Falle einer Gruppenvergewaltigung schlich er sich wieder in das Besprechungszimmer. Selbst Ottosson, der Leiter des Kommissariats, war verblüfft gewesen.
    Fredrikssons unangekündigtes Auftauchen bei der morgendlichen Besprechung hatte eine selten erlebte Stille im Raum ausgelöst, als wäre jemand von den Toten auferstanden. Ottosson hatte gehüstelt. Ein kollektives Lächeln hatte sich auf die Gesichter der versammelten Kriminalpolizisten gelegt. Sammy Nilsson hatte Fredrikssons alten Stuhl vorgezogen.
    Jetzt saß er über einen Stapel Blätter gebeugt im Wohnzimmer. Er schaute kurz auf und sah erleichtert aus. Vielleicht hatte er befürchtet, Riis wäre zurückgekommen.
    »Wie sieht’s aus?«
    »Papiere gibt es genug.«
    »Was ist das?«
    »Alte Unterlagen, was man so ansammelt.« Fredriksson lehnte sich auf dem Sofa zurück und rieb sich die Augen. »Ich glaube, ich muß mir eine Lesebrille zulegen«, sagte er.
    Lindell setzte sich ihm gegenüber.
    »Wir müssen auch nach Isabella fahnden«, sagte sie und drehte eine Runde im Zimmer.
    »Wer ist das?«
    »Der Hund.«
    Fredriksson machte Anstalten, weiter zu blättern, ließ sich dann aber wieder gegen die Rückenlehne fallen. »Wenn du dich hier umschaust, was für einen Eindruck gewinnst du dann von Familie Cederén?«
    »Sie haben Geld«, sagte sie kurz.
    »Ja, Geld haben sie, aber da ist noch etwas. Es ist unordentlich und außerdem ganz schön dreckig. Hinter allem Kunstglas liegt dicker Staub, unter den Teppichen ist es grau, in der Küche klebt alles, und die Badewanne ist schmutzig.«
    »Soso«, meinte Lindell abwartend.
    »Eine fast zweihundert Quadratmeter große, ungeputzte Villa. Wir wissen, daß Josefin Cederén Hausfrau war, seit ihre Tochter geboren wurde. Was immer sie tagsüber gemacht hat, geputzt hat sie jedenfalls nicht.«
    »Und das bedeutet?«
    »Keine Ahnung. Die Menschen sind so verschieden. Ich würde es keinen einzigen Tag mit all dem Dreck um mich herum aushalten.«
    Lindell schwieg. Der Standpunkt ihres Kollegen löste bei ihr keinerlei Assoziationen oder Ideen aus.
    »Ich glaube, sie war unglücklich«, sagte Fredriksson. »Sie hat eins der schönsten Häuser von Uppsala-Näs einfach verkommen lassen.«
    »Sie hatte eben andere Prioritäten«, erwiderte Lindell. Es gefiel ihr nicht, daß Fredriksson schlecht über die Tote sprach. Sie hatte am Straßenrand gelegen, war auf dem Weg zum Grab ihrer Mutter gewesen, zusammen mit der Tochter, aber dennoch mehrere Meter von ihr entfernt im Augenblick des Todes. Josefin Cederén war es nicht einmal vergönnt gewesen, ihre Tochter ein letztes Mal in die Arme zu schließen. Das Haus mochte unaufgeräumt sein, okay, aber jetzt war sie tot.
    »Ich glaube, daß sie sich hier nicht wohl gefühlt hat«, begann Fredriksson von neuem. »Und das hat uns etwas zu sagen.«
    »Aber es ist längst nicht gesagt, daß dies etwas mit ihrem Tod zu tun hat«, wandte Lindell ein.
    »Das ist richtig, aber es ist ein Fragezeichen.«
    »Es gibt sicher Fragezeichen im Leben aller Menschen«, erwiderte Lindell. »Jetzt sind wir eben zufällig hier gelandet.«
    Sie stand auf und ging in die Küche. Fredrikssons Beobachtung traf zu: Die Küche war schmutzig. Sie bestand aus einer frei stehenden Küchenzelle, auf deren massiver Arbeitsplatte aus Buchenholz sich Küchengeräte häuften, zwei Teller mit eingetrockneter Sauermilch und eine geöffnete Packung Margarine – und überall Brotkrumen. Sie hat bestimmt nach dem Besuch auf dem Friedhof aufräumen wollen, dachte Lindell versöhnlich, aber es blieb Tatsache, daß es in der Küche fast ein wenig eklig war.
    Wer würde nun hier aufräumen? Ihr Vater?
    Lindell ging in die obere Etage. Das Zimmer des Mädchens war mit Stofftieren übersät. Das Doppelbett im Schlafzimmer der Eltern war ungemacht. Auf dem Fußboden lag eine weiße Pyjamajacke. Ein Paar Pantoffeln lugte unter dem Bett hervor.
    Sie ging zu dem einen Nachttisch und nahm das Buch in die
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