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Das spröde Licht: Roman (German Edition)

Das spröde Licht: Roman (German Edition)

Titel: Das spröde Licht: Roman (German Edition)
Autoren: Tomás González
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beten, während ich auf einer Bank draußen auf sie wartete, das Kinn auf den Knauf meines Stocks gestützt. Ángela kam heraus. Wir gingen eine enge Straße entlang, in der der Verkehr wogte. In der Bäckerei eine große Portion dulce de leche und dazu einen Kaffee. Stock. Wieder die Straße voll verschwimmender Autos und Kleinbusse. Zu Hause. Ein paar Minuten Ausruhen, auf dem Bett. Ich kann überhaupt nicht mehr ausgehen, ohne mich danach hinzulegen.
    Lupe.
    Dann rief Michael O’Neal an und sprach mit Sara. Ich war gerade dabei, mir einen Kaffee zu machen. Meine Augen brannten, meine Lider waren schwer. »Yes, my boy«, sagte sie. Saras Englisch hatte den Akzent der Leute aus dem Valle del Cauca, so wie meiner mich als Medelliner verriet, doch obwohl ihr Englisch vielleicht weniger korrekt war als meines, war es viel flüssiger, ausdrucksvoller, effizienter. »Um sechs Uhr in Oregon, neun Uhr hier. Ja, mein Junge. Ja, klar. Ich glaube, fest entschlossen, glaube ich jedenfalls. Was hast du gesagt? Ja, ja, ja, ja. Er wird kommen, ja, um sechs Uhr Ortszeit, ganz bestimmt. O Michael, o Michael«, sagte Sara, und ihre Stimme brach. »Ja, ja, ja. Ich umarme dich auch. Wir rufen dich an. Ja.«
    Nicht mehr der Dornbusch, der lichterloh brannte, ohne selbst zu verbrennen. Jetzt wurde ich von den Flammen verschlungen. Ich trank meinen Kaffee und holte mir noch eine halbe Tablette Clonazepam, denn ich bekam schon wieder keine Luft mehr. Sara fragte mich, ob alles in Ordnung sei, und ich sagte, es sei alles in Ordnung. Dann fragte sie noch einmal, ob ich sicher sei, dass alles in Ordnung sei, aber ich antwortete nicht, wie ich es heute Morgen Ángela gegenüber getan habe, sie solle mich in Ruhe lassen, obwohl ich nahe daran war, sondern ich sagte noch einmal, dass alles in Ordnung sei, und sie spürte die Ungeduld in meiner Stimme und ließ mich in Ruhe.
    »Bringst du Don Mimoso bitte noch einen Kaffee?«, sagte ich zu Ángela vor einer Weile, um sie mit meiner Kratzbürstigkeit am Morgen zu versöhnen, und sie tat so, als sei sie noch eingeschnappt und verzog keine Miene. Im nächsten Augenblick kam sie mit dem Kaffee und einem Lächeln auf dem Gesicht.
    Bei ihr gibt es einige Neuigkeiten. Wie ich geahnt hatte, hat sich Ángelas Mann mit dem Mädchen aus dem Gewächshaus zusammengetan. Sie weiß nicht, wohin er gegangen ist, das heißt, wo ihr Mann und das Mädchen zusammenleben, und es interessiert sie auch nicht. Aber das ist nicht die Neuigkeit. Die Neuigkeit ist vielmehr, dass er nach wie vor zur Arbeit in meinen Garten kommt und dass Ángela ihm nach wie vor Frühstück, Mittag- und Abendessen macht, jetzt bloß wie für einen Angestellten von mir, aber sie sprechen nicht miteinander. Am Anfang versuchten sie, mich als Mittelsmann zu benutzen, aber darauf ließ ich mich nicht ein. Schreibt euch Zettel, oder verständigt euch sonst wie, aber lasst mich aus dem Spiel, sagte ich. Es wäre ja noch schöner, wenn ein Achtundsiebzigjähriger wie ich dem Ex einer anderen Frau sagen würde:
    »Hör mal, José Luis, Ángela lässt dir ausrichten, das Frühstück steht auf dem Tisch.«
    Und der Mann antwortet:
    »Juan Pablo, Don David. José Luis ist mein Sohn. Vielen Dank. Sagen Sie ihr bitte, ich komme gleich.«
    »Ángela, Juan Luis sagt, er kommt gleich.«
    »Danke, Don David. Wer?«
    »Das ist recht lustig«, hätte Sara gesagt. »Nicht gerade umwerfend, bild dir das bloß nicht ein. Aber ganz amüsant.«
    Ich bin ein ernster Mensch, aber ich glaube, ich habe Humor, ich hoffe es wenigstens. Das sage ich, weil ich früher eine Zeitlang Briefe geschrieben habe, viele Briefe, die die Empfänger komisch fanden. Ich schrieb an jeden, der mir gerade einfiel, und zwar nur, weil es mir Spaß machte. Sara erhielt viel Korrespondenz dieser Art von mir, die Arme. Manchmal legte ich ihr einen Brief auf den Schreibtisch und spitzte beim Arbeiten die Ohren, weil ich ihr Lachen hören wollte. Sie sagte, meine Briefe gefielen ihr, auch wenn sie ihr manchmal zu tiefsinnig oder zu melancholisch vorkamen.
    Aber in diesem Augenblick spüre ich trotz der Ereignisse, über die ich schreibe, oder vielleicht gerade deshalb, Lebensmut. Seit damals ist viel Zeit vergangen, neunzehn Jahre, und das Stechen im Herzen ist seltener geworden, dieser Druck, als müsste ich ersticken. Was passiert ist, lastet natürlich weiter auf mir, und oft muss ich, wenn ich daran denke, zur Zigarette greifen und mich eine Weile hinlegen, aber die Freude zu leben
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