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Das Spiel des Saengers Historischer Roman

Titel: Das Spiel des Saengers Historischer Roman
Autoren: Andrea Schacht
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Oberlippenbart zu tragen. Es war nicht ganz schmerzlos, wenn er sich mit der Pinzette an die Feinarbeit machte, aber ein gestandener Mann wie ich überwand auch diese Tortur ohne Schmerzlaut.
    »Die anderen Gäste sind im Bergfried untergebracht«, murmelte Ismael während seiner filigranen Tätigkeit. »Außerdem wohnen der Verwalter und sein Weib und der Kaplan im Haus zwischen Kapelle und Bergfried.«
    »Das war zu erwarten«, sagte ich mit fast unbewegten Lippen, um seine Arbeit nicht zu behindern.
    »Und ein Pächter mit seinem Weib ist ebenfalls eingetroffen.«
    »Hilfsdienste, vermutlich.«
    »Vermutlich. Zwanzig Mannen unter Waffen.«
    »Gut zu wissen.«
    »Ein niedliches Kammerjüngferchen bedient die Frau Loretta. Ich traf sie eben auf der Stiege.«
    »Lass die Finger davon.«
    »Mal sehen … Ach ja, und Jungfer Engelin kam auf einem weißen Zelter.«
    Fast wäre ich im Bottich ertrunken. Als ich wieder auftauchte,
fügte er mit ausdrucksloser Stimme hinzu: »Sie begleitet ihren Vater Hinrich van Dyke.«
    Er reichte mir ein Leinentuch. Ich stieg aus dem Zuber und trocknete mich ab, während meine Gedanken Kapriolen schlugen.
    Die Jungfer Engelin war mir keine Unbekannte.
    Heilige Apollonia von den Zahnschmerzen, das konnte wahrlich heiter werden.
    Ismael hatte auch meine Kleider zurechtgelegt, und während ich sie anlegte und das kurze Lederwams darüberzog, entkleidete er sich und stieg ebenfalls ins Wasser. Ich schob meine eigenen Gedanken zur Seite und sah zu, wie er sich mit der kostbaren Seife bediente. Mochte er seine Finger von dem Jüngferchen lassen; ich könnte die Maid verstehen, wenn sie sich die ihren nach ihm lecken würde.
    Dann widmete ich mich wieder meiner Vollendung und flocht mir zwei dünne Schläfenzöpfe, damit mir die Haare nicht ins Gesicht fielen. Anschließend bürstete ich die feuchten Locken. Gewöhnlich trugen die Männer ihre Haare kurz geschoren, aber lange Haare waren ein Zeichen meines Standes und wollten sorgsam gepflegt sein. Anschließend ordnete ich den Fuchsschwanzbesatz meines Wamses. Ich hatte den Buntwörter beauftragt, ihn so anzubringen, dass er meine Schultern betonte. Meine Hüften gürtete ich mit silberbeschlagenem Leder und befestigte den Dolch in seiner Scheide daran. Man wusste ja nie.
    Ihr mögt jetzt vielleicht denken, dass ich eitel sei - und damit habt Ihr recht. Doch erstens hat mir Gott ein wohlgefälliges Aussehen geschenkt, und zweitens bin ich es meinem Beruf schuldig, dieses nicht zu verstecken. Ein Minnesänger muss auch minnigliche Gefühle wecken. Selbst wenn er dabei den Zuhörern als Augenweide dient.
    Immerhin verdeckt dieser äußere Glanz all das, was ich nicht zu zeigen beabsichtige. Weder Euch noch den Anwesenden auf der Burg. Ihr werdet noch zu verstehen lernen, warum.

    Als ich mit meinem Aussehen zufrieden war, überließ ich Ismael seinen Planschereien. Sauber, wohl gesättigt und mit allerlei nützlichen Kenntnissen versehen, war ich bereit, mich den Burginsassen zu stellen, als das Glöckchen der Burgkapelle zur Abendandacht rief.

Kemenatengetuschel
    Engelin war gleich nach ihrem Eintreffen in der Burg dem ausgesucht höflichen jungen Mann, dem Knappen des Ritters, die Außenstiege in den ersten Stock des Palas gefolgt. Er hielt ihr die Tür auf, sodass sie in den Vorraum eintreten konnte.
    »Hier sind die Gemächer des Burgherrn. Es bewohnen sie jetzt mein Herr, der Ritter, und der Minnesänger«, erklärte er. »Ihr steigt bitte diese Wendeltreppe hinauf, oben findet Ihr die Kemenaten.«
    »Und Fräulein Casta, hoffe ich.«
    Der Knappe verneigte sich und lächelte sie an.
    »Natürlich. Soweit ich verstanden habe, freut sie sich auf Euer Kommen. Ich bringe Euch Euer Gepäck gleich nach, wohledle Jungfer. Die linke Tür führt in das Gemach der Burgherrin, das von der ehrwürdigen Mutter bewohnt wird, die erste rechte Kemenate hat eine Hofdame mit ihrer Kammerjungfer bezogen, und für Euch ist das große Gemach dahinter gerichtet.«
    Engelin bedankte sich und machte sich daran, die drei Windungen der engen, steinernen Treppe nach oben zu erklimmen.
    Neugier, etwas Ängstlichkeit und Vorfreude belebten ihr Gemüt. Diese Burg war einschüchternd mit ihren dicken Mauern, die zahlreichen hölzernen Außentreppen und Gänge hatte sie nicht erwartet, und sie vermutete, dass sie sich bestimmt noch das eine oder andere Mal verlaufen
würde. Dann aber betrat sie die Kemenate, die der Knappe ihr genannt hatte, und staunte.
    Sie selbst war
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