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Das Spiel des Saengers Historischer Roman

Titel: Das Spiel des Saengers Historischer Roman
Autoren: Andrea Schacht
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Liebe geleitet werden. Und die hat bekanntlich viele Seiten.
    Er hatte in vielen Aspekten damit natürlich recht. So wie er einst den Wunsch hegte, die Frauenherzen zu betören, und sich darum auf die Suche nach der magischen Laute machte. Ebenso waren auch die anderen, die sich auf der Burg eingefunden hatten, von ihren Wünschen oder Begierden geleitet worden. Die Äbtissin von ihren Wunsch nach Anerkennung durch Liebe, Loretta von dem nach Sicherheit durch Liebe, der Kaplan von seiner Liebe zum Wein, der Pächter Cuntz durch seine Liebe zum Geld, Ida suchte die Liebe ihres Mannes und fand sie nie, Jonata fand sie wenigstens in ihrer Liebe zu ihren Kindern, Sigmund suchte Liebe in der Befriedigung seiner Triebe - ähnlich wie der Stiftsherr -, der Höfling in seinem Spiegelbild. Der Domgraf Gottfried von Fleckenstein ließ sich von seiner Liebe
zu Gott und der Natur leiten. Ismael liebte seine Unabhängigkeit, sie würde ihn weit bringen. Ulrich aber hatte einst gütige Elternliebe erfahren, zu der er nun wieder in seinen ritterlichen Tugenden zurückgefunden hatte. Casta liebte ihn - und ich liebte den Streit.
    Nur Humbert aber war der Liebe nicht fähig; sein Wunsch bestand darin, sie bei anderen zu vernichten.
    Ja, unsere Wünsche leiteten uns, denn ihre Erfüllung oder ihre Versagung lenkten unsere Schritte. Und die schönsten Worte dazu hat Hardo mir neulich in der süßen Dämmerung beim Sang der Nachtigallen mit seiner raspelrauen Stimme ins Ohr geraunt, und sie hatte er nicht in Minneliedern gefunden: »Solange, wie ich mir vergeblich die Liebe meines Vaters gewünscht hatte, von der niederen Minne der Frauen enttäuscht wurde, an Gottes Liebe gezweifelt hatte, war mein Leben in Unglück verlaufen. Doch dann habe ich selbstlose Liebe geschenkt bekommen, von einem unschuldigen Kind, einer lästigen Kröte. Und ich lernte Nächstenliebe und Freundesliebe und die einzige, die wahre Liebe, kennen. Deine Liebe, Engelin, nicht der Stern, der vom Himmel fiel, bestimmt mein Leben.«
    Ja, das sagte er.
    Aber jetzt, hier in diesem Haus mit dem Blick über die Lagune von Venedig, auf den blühenden Garten, auf meinen schwangeren Leib und die Augenweide von einem Gatten, der eben gerade zu mir hochschaut, eine höchst anmutige Verbeugung macht und mich frech angrinst, ja, in diesem Augenblick dankbaren Glücks, da frage ich wie der Meister Walther von der Vogelweide:
    »Wer gab dir, Minne, die Gewalt,
dass du so ganz allmächtig bist?«

Nachwort
    Es gab wirklich eine Burg Langel im gleichnamigen Vorort Kölns am Ausgang der heutigen Rosengasse zum Rhein hin - eine von 29 inzwischen verschwundenen oder bis zur Unkenntlichkeit umgebauten Burgen und Schlössern in Köln. Darum habe ich sie als Ort des Geschehens gewählt - ein Schriftsteller darf ein Gebäude wiederauferstehen lassen. Was wir schreiben, ist Fiktion, entspringt der Fantasie, ist Gedankengespinst. Doch darin sind auch immer eine ganze Reihe Tatsachen enthalten, um die sich die Geschichte rankt.
    Das beginnende fünfzehnte Jahrhundert war eine Schwelle in der Geschichte. Nicht wegen etwaiger Kometen. Der hier geschilderte ist nicht belegt, sondern durchzieht lediglich den Erzählhimmel. Sondern weil der Blick auf die Welt weiter geworden war. Die fest ummauerten Burgen, die in einer unwirtlichen Umgebung Schutz gegen die Einfälle fremder Völker geboten hatten, verloren an Bedeutung, denn die Fremde verlor allmählich ihre Feindseligkeit. Man reiste und handelte in immer größerem Umfang.
    Die unbequemen, eisernen Rüstungen der Ritter, die sie zu unbeweglichen Kämpfern machten, verloren angesichts der neuen Waffentechniken ihre Bedeutung. Gegen den Armbrustbolzen aus dem Hinterhalt waren sie nutzlos, gegen die Kugeln aus Kanonen noch mehr.
    Die Frauen in ihren abgeschiedenen Kemenaten oben im Burgturm lauschten den Liedern der Minne, in denen ihnen mit vielen schönen Worten gehuldigt wurde, doch die bürgerlichen Frauen, die dem neuen aufstrebenden Stand der Händler und Kaufleute angehörten, betätigten die Rechenbretter und führten die Bücher. Manche unter ihnen trieben selbst Handel.

    Huldigung, noch so klangvoll gereimt, reichte ihnen sicher nicht mehr.
    Der Minnesang versickerte im Sand der Zeit, ihm folgte der Meistersang, wie nicht anders zu erwarten, aus Handwerkerkehlen.
    Und doch sind die vielen Lieder der Sänger und Dichter aus jener Vergangenheit Dokument der Denkweise und Lebensart. Nicht nur die hehre Liebe und ihren Verzicht
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