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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel
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Garten gefunden hatte. Briony wusste ja nicht, wann es wieder etwas zu essen geben würde, und sie sagte sich, dass selbst Fischsuppe ein nobles Mahl war, wenn sie ihr die Kraft gab zu überleben, damit sie Hendon Tolly eines Tages etwas Spitzes ins Herz jagen konnte.
    Shaso aß ebenfalls, wenn auch nicht viel geschickter oder flinker als in der Nacht. Aber er war nicht mehr ganz so aschfahl, und sein Atem pfiff nicht mehr wie ein Blasebalg. Vor allem jedoch war, trotz der dunklen Ringe um seine eingesunkenen Augen (die ihm, wie Briony fand, etwas von einem Oniron wie Larkis oder Zakkas dem Zerlumpten oder irgendeinem anderen sonnenverbrannten, durch die Einsamkeit der Wildnis dem Wahnsinn verfallenen Propheten aus dem Buch des Trigon gaben), sein Blick wieder klar und wach — der Blick des Shaso, den sie kannte.
    »Heute können wir nirgends hin.« Er nahm noch einen letzten Schluck, ehe er die leere Schale senkte. »Das wäre zu riskant.«
    »Aber der Nebel verbirgt uns doch ...?«
    Schon lag in Shasos Gesichtsausdruck wieder viel von seinem alten Selbst: Ärger darüber, dass sie ihm widersprach, und Enttäuschung, weil sie nicht gründlich genug nachgedacht hatte. »Vielleicht hier, in der Bucht, Prinzessin. Aber was ist, wenn wir am späten Nachmittag irgendwo landen, nachdem die Sonne den Nebel längst vertrieben hat? Selbst wenn uns keine Feinde sähen — glaubt Ihr, die Fischer dort würden ein so ungewöhnliches Paar vergessen?« Er schüttelte den Kopf. »Wir sind Flüchtlinge, Hoheit. Alles, was war, ist ohne Bedeutung, wenn Ihr jetzt Euren Feinden in die Hände fallt. Wenn Ihr ergriffen werdet, wird Hendon Tolly Euch nicht vor Gericht stellen oder in den Kerker werfen, als Fanal für die, die den Eddons noch treu sind. Nein, er wird Euch töten, und niemand wird je Euren Leichnam zu Gesicht bekommen. Ein wenig Geraune, dass Ihr noch am Leben seid, wird er gern in Kauf nehmen, solange er selbst weiß, dass er Euch für immer los ist.«
    Briony dachte an Hendons grinsendes Gesicht, und ihre Hände zuckten. »Wir hätten den Gronefelds ihre Titel und Ländereien längst nehmen sollen. Warum haben wir diesen ganzen Verräterhaufen nicht hingerichtet?«
    »Wann denn? Wann haben sie sich je als Verräter zu erkennen gegeben, ehe es zu spät war? Schließlich war Gailon, auch wenn ich ihn nicht leiden konnte, doch offenbar ein treuer Diener der Krone und des Hauses Eddon — falls Hendon darin wenigstens die Wahrheit gesagt hat. Und über Caradon wissen wir doch auch nur, was Hendon über ihn sagt, also ist seine Schlechtigkeit ebenso wenig erwiesen wie Gailons Anständigkeit. Die Welt ist seltsam, Briony, und sie wird nur noch seltsamer werden.«
    Sie sah in sein strenges, ledriges Gesicht und schämte sich, dass sie so dumm gewesen war und nicht besser über den kostbarsten Besitz ihrer Familie gewacht hatte. Was musste er von ihr denken, ihr alter Lehrer? Was musste er von ihr und ihrem Zwillingsbruder halten, jetzt, da sie den Eddon-Thron so gut wie preisgegeben hatten?
    Als ob er ihre Gedanken lesen könnte, schüttelte Shaso den Kopf. »Was vergangen ist, ist vergangen. Was vor uns liegt — das ist alles, was zählt. Werdet Ihr mir vertrauen? Werdet Ihr tun, was ich sage, und nur was ich sage?«
    Trotz aller Fehler, die sie gemacht hatte, trotz ihres Selbstekels, sträubte sich alles in ihr. »Ich bin kein Dummerchen, Shaso. Ich bin kein Kind mehr.«
    Einen Moment lang wurde sein Gesicht weicher. »Nein. Ihr seid eine prachtvolle junge Frau, Briony Eddon, und Ihr habt ein gutes Herz. Aber das ist jetzt nicht der Moment für Gutherzigkeit. Dies ist die Stunde der Hinterlist, des Verrats und des Mordens, und mit all dem habe ich viel mehr Erfahrung als Ihr. Ich bitte Euch, mir zu vertrauen.«
    »Natürlich vertraue ich Euch — was meint Ihr damit?«
    »Dass Ihr nichts tut, ohne mich zu fragen. Wir sind Flüchtlinge, auf die ein Kopfgeld ausgesetzt ist. Wie ich schon sagte: Alles, was war — Eure Krone, die Geschichte Eurer Familie — bedeutet nichts mehr, wenn wir ergriffen werden. Ihr müsst schwören, nichts ohne meine Erlaubnis zu tun, und wenn es Euch noch so klein und unbedeutend erscheint. Bedenkt, ich habe meinen Treueid Eurem Bruder Kendrick gegenüber gehalten, auch als es mich das Leben hätte kosten können.« Er hielt inne, holte Luft und hustete leise. »Was es immer noch kann. Also will ich jetzt, dass Ihr mir dasselbe schwört.« Er fixierte sie mit seinen dunklen Augen. Diesmal war es
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