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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel
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gegenseitig zu verpetzen. Es war ein Pakt zwischen ihnen, so unverbrüchlich und selbstverständlich, dass sie noch nie darüber gesprochen hatten.
    Aber der Junge blieb hartnäckig. Ein unglückliches Grinsen im blassen Gesicht, wartete er, dass der Zorn seiner Schwester verrauchte. Schließlich gab sie nach: Prinzipien hatten nun mal ihre Grenzen, und jetzt war sie einfach schrecklich neugierig. »Meinetwegen, du gemeiner Kerl. Was verlangst du von mir? Wobei soll ich schwören?«
    »Einen Blutschwur. Es muss ein Blutschwur sein.«
    »Bei den Häuptern der Götter, bist du verrückt?« Der ungehörige Ausdruck trieb ihr die Röte ins Gesicht, und sie sah sich erschrocken um, obwohl natürlich außer ihnen niemand in der Vorratskammer war. »Blut? Was denn für Blut?«
    Barrick zog einen Dolch aus seinem geschlitzten Ärmel. Er hielt den gestreckten Zeigefinger vor sich und schnitt sich, fast ohne zusammenzuzucken, in die Fingerkuppe. Entsetzt und fasziniert zugleich starrte Briony hin.
    »Du sollst doch kein Messer bei dir tragen außer bei öffentlichen Zeremonien«, sagte sie. Shaso, der Waffenmeister, hatte es verboten, weil er fürchtete, Brionys hitzköpfiger Bruder könnte sich selbst oder jemand anderen verletzen.
    »Ach? Und was soll ich tun, wenn mich jemand töten will und keine Wachen in der Nähe sind? Ich bin schließlich ein Prinz. Soll ich einfach nur mit dem Handschuh nach dem Angreifer klatschen und ihm sagen, er soll verschwinden?«
    »Keiner will dich töten.« Sie sah zu, wie ein Blutstropfen hervorquoll und in die Gelenkfalte seines Fingers lief. »Warum sollte dich jemand töten wollen?«
    Er schüttelte den Kopf und seufzte ob ihrer Naivität. »Willst du einfach nur da herumsitzen und warten, dass ich verblute?«
    Sie starrte ihn an. »Ich soll das auch machen? Nur damit du mir ein blödes Geheimnis verrätst?«
    »Na gut.« Er saugte das Blut weg und wischte sich den Finger am Ärmel ab. »Dann sag ich's dir eben nicht. Geh weg und lass mich in Ruhe.«
    »Sei nicht so garstig.« Sie musterte ihn und sah, dass er nicht einlenken würde — er konnte so stur sein wie ein krummer Nagel. »Meinetwegen, ich mach's.«
    Er zögerte. Ganz offensichtlich widerstrebte es ihm, so unmännlich zu handeln und seiner Schwester den Dolch zu geben; schließlich ließ er ihn sich aber doch aus der Hand nehmen. Sie hielt die scharfe Schneide eine ganze Weile über ihren Zeigefinger, biss sich auf die Unterlippe.
    »Mach schon!«
    Als sie der Aufforderung nicht augenblicklich nachkam, schnellte sein gesunder Arm vor, packte ihre Hand und drückte ihren Finger gegen die Dolchschneide. Der Schnitt war nicht tief: Als sie im Schimpfen innehielt, war der schlimmste Schmerz schon vorbei. Eine rote Perle erschien auf ihrer Fingerspitze. Barrick nahm ihre Hand, jetzt viel sanfter, und legte seinen Zeigefinger an ihren.
    Es war ein seltsamer Augenblick, nicht wegen des Gefühls selbst, das nicht anders war, als es sich eben anfühlt, wenn man einen frisch verletzten Finger an dem von jemand anderem reibt und etwas Blut zwischen den geriffelten Fingerkuppen verschmiert. Nein, das Seltsame war das Glühen in Barricks Augen, der begierige Blick, mit dem er auf dieses bisschen Rot starrte, der Blick von jemandem, der etwas viel Aufregenderes beobachtet, Liebesspiele oder eine Hinrichtung, Nacktheit oder Tod.
    Er blickte auf. »Schau mich nicht so an. Schwörst du, nie zu verraten, was ich dir erzähle? Und dass die Götter dich fürchterlich strafen sollen, wenn du's doch tust?«
    »Barrick! Wie kannst du so was sagen. Ich verrate niemandem was, das weißt du doch.«
    »Wir haben unser Blut vermengt. Jetzt kannst du's dir nicht mehr anders überlegen.«
    Sie schüttelte den Kopf. Nur ein Junge konnte glauben, dass eine Zeremonie mit Messern und Schnitten in Fingerkuppen ein stärkeres Band stiftete als das gemeinsame Heranwachsen im warmen Dunkel des Mutterleibs. »Ich überlege es mir nicht anders.« Sie hielt inne und suchte nach Worten, um ihm die Unverbrüchlichkeit ihrer Treue zu vermitteln. »Das weißt du doch, oder?«
    »Gut. Dann zeig ich's dir.«
    Er stand auf und kletterte zum Erstaunen seiner Schwester auf einen Holzblock, der, solange sie beide denken konnten und noch viel länger, als Tritthocker in der Vorratskammer gedient hatte, und tastete dann auf einem der oberen Borde herum, bis er schließlich etwas hervorzog, das in Putzlappen eingewickelt war. Er nahm es herunter, setzte sich wieder hin und
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