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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel
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sich so kalt und hart wie der Fels der Bucht.
Nicht jetzt — aber eines Tages. Und wenn dieser Tag da ist, werde ich dir das Herz herausreißen, wie du es mit meinem getan hast. Nur dass deines hinterher nicht mehr schlagen wird.
    Sie versuchte es gar nicht erst an der schweren Vordertür, weil sie wusste, dass die verschlossen war. Sie ging vielmehr herum zum Kücheneingang, der einen schadhaften Riegel hatte, den man losrütteln konnte. Wie erwartet brauchte sie nur ein paarmal ordentlich zu rütteln, und schon ging die Tür auf, aber drinnen war es stockfinster. Noch nie war Briony hier gewesen, ohne dass zumindest ein paar Lampen vor sich hingeglüht hatten, aber jetzt war die Küche so lichtlos wie eine Höhle, und zuerst brachte sie es einfach nicht über sich, hineinzugehen. Nur der Gedanke an Shaso, der auf dem eiskalten Steg lag, leidend, vielleicht schon halb tot, trieb sie schließlich durch die Türöffnung.
    Monatelang in einer Kerkerzelle eingesperrt, und alles nur wegen mir — mir und Barrick. Sie runzelte die Stirn. Na ja, und ein bisschen auch wegen seiner eigenen Halsstarrigkeit.
    Sie schaffte es, sich zum Herd zu tasten, wenn auch nicht ohne eine Reihe unerfreulicher Begegnungen mit Spinnweben. Etwas huschte durchs Dunkel — nur Mäuse, beruhigte sie sich. Nach einigem Suchen und etlichen weiteren Spinnweben fand sie schließlich das Flintfeuerzeug in seiner Nische im gemauerten Kamin und daneben eine Handvoll ölgetränkter Späne. Mit etwas Mühe gelang es ihr, einen Funken zu schlagen, und wenig später züngelte ein Flämmchen aus den Spänen, was ihr den Mut gab, weiter zu tasten, einen Stapel von spillerigem Anfeuerholz umzustoßen und ein paar kleinere Reiser auf das Feuerchen zu werfen, damit es zu etwas Brauchbarem heranwuchs. Sie erwog, auch im Kamin der Haupthalle Feuer zu machen. Es gab ihr einen Stich, als sie an ihren verschollenen Vater dachte, der es immer als seine ureigenste Aufgabe angesehen hatte, dieses Feuer zu entzünden. Aber sie wusste, es wäre töricht, Feuerschein aus den Fenstern auf der Vorderseite des Hauses fallen zu lassen, der Seite, die der Südmarksburg zugewandt war. Briony glaubte zwar nicht, dass jemand den Lichtschimmer ohne Fernrohr sehen konnte, nicht mal von den Burgmauern aus, aber wenn es eine Nacht gab, in der zu befürchten war, dass Hendon Tolly und seine Männer mit Fernrohren auf den Mauern standen und ins Dunkel hinausspähten, dann war es diese. Die Küche würde als Zuflucht genügen müssen.
    Die Vorderseite des Sommerhauses war immer noch unvertraut dunkel, als sie den steilen Pfad wieder hinabstieg, aber allein schon das Wissen, dass in der Küche jetzt ein Feuer brannte, gab dem ganzen Ort etwas Freundlicheres, und außerdem hielt sie jetzt eine abgeschirmte Laterne in der Hand, sodass sie sehen konnte, wohin sie die Füße setzte.
    Also haben wir den ersten Tag schon mal überlebt — es sei denn, jemand hat das Boot gesehen, und sie sind hinter uns her.
Ängstlich blickte sie zur Burg hinüber: Da waren zwar Lichter, die sich auf den Mauern bewegten, aber keinerlei Anzeichen für irgendwelche Verfolger auf dem Wasser. Und wenn jemand kam, um den M'Helansfels abzusuchen, ehe sie und Shaso wieder aufbrechen konnten? Nun ja, sie kannte die Insel und ihre Verstecke so gut wie sonst kaum jemand.
Was tue ich da?,
schalt sie sich.
Ich sollte die Götter nicht versuchen, indem ich so etwas auch nur denke ...
     
    Shaso konnte zwar ein paar Schritte gehen, aber die beiden jungen Frauen mussten doch alle Kraft aufwenden, um ihn die Treppe hinaufzubugsieren. Es war ein Zeichen dafür, wie schwach er war, dass er nicht einmal protestierte.
    Drinnen fand Briony Wolldecken, um den alten Mann einzuwickeln. Dann setzte sie ihn in einen Winkel beim Herd, in Kissen gelehnt, die sie aus dem überreichlich ausgestatteten Wohnzimmer, dem sogenannten Rückzugsgemach der Königin, geholt hatte. Ena war bereits dabei, die wenigen Hinterlassenschaften in den Schränken zu durchstöbern, in der Hoffnung, den Proviant, den sie aus dem Haus ihres Vaters in der Skimmerlagune mitgebracht hatte, aufstocken zu können. Aber Briony wusste, dass da nichts Essbares war. Ihr Mahl würde wieder aus Dörrfisch bestehen.
    Dörrfisch war wesentlich besser als hungern, ermahnte sie sich. Aber da Briony Eddon noch nie im Leben gehungert hatte, war das ein abstrakter Trost.
     
    Nachdem sie ihm ein, zwei Schlucke Fischsuppe eingeflößt hatten, gab Shaso eindeutig zu verstehen,
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