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Das Siegel der Tage

Das Siegel der Tage

Titel: Das Siegel der Tage
Autoren: Isabel Allende
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Newman schon etwas zu alt für die Hauptrolle war, sollte der Stoff je verfilmt werden. »Dir ist sicher nicht entgangen, daß Paul Newman mir ähnlich sieht«, sagte er, bescheiden wie immer. Bisher hatte ich nicht darauf geachtet, aber ich habe Willie nicht gekannt, als er jung warund die beiden einander gewiß glichen wie ein Ei dem andern.
    In den Vereinigten Staaten erschien das Buch zu einem schlechten Zeitpunkt für mich; ich wollte niemanden sehen, und der Gedanke an die Lesereise belastete mich. Ich war krank vor Kummer, besessen von der Vorstellung, was ich hätte tun können und nicht getan hatte, um dich zu retten. Warum hatte ich die Schludrigkeit der Ärzte in diesem Madrider Krankenhaus nicht erkannt? Warum hatte ich dich nicht dort rausgeholt und sofort nach Kalifornien gebracht? Warum, warum … Ich schloß mich in dem Zimmer ein, in dem du deine letzten Tage verbracht hast, aber noch nicht einmal an diesem mir heiligen Ort fand ich so etwas wie Frieden. Es sollten viele Jahre vergehen, ehe du mir zu einer sanften und verläßlichen Gefährtin wurdest. Damals war dein Fehlen ein stechender Schmerz, ein Lanzenstoß in der Brust, der mich manchmal in die Knie zwang.
    Auch machte ich mir Sorgen um Nico, weil wir kurz zuvor erfahren hatten, daß auch er an Porphyrie leidet. »Paula ist nicht an Porphyrie gestorben, sondern am Pfusch der Ärzte«, versuchte dein Bruder mich zu beschwichtigen, aber er war selbst beunruhigt, weniger wegen sich als wegen seiner beiden Kinder und dem dritten, das unterwegs war. Womöglich hatte er seinen Kindern dieses verfluchte Erbe mitgegeben; wir würden es erfahren, wenn sie alt genug für die Tests wären. Drei Monate nach deinem Tod hatte Celia uns eröffnet, daß sie erneut schwanger war, was ich bereits vermutet hatte, weil sich um ihre Augen die dunklen Ringe der Schlaflosen zeigten und ich von dem Kind geträumt hatte, wie ich von Alejandro und Andrea geträumt hatte, ehe sie sich im Bauch ihrer Mutter regten. Drei Kinder in fünf Jahren, es war die blanke Unvernunft; Nico und Celia hatten keine feste Arbeit, und ihre Studentenvisa würden bald ablaufen, aber wir feierten die Neuigkeit trotzdem. »Seid unbesorgt, jedes Kind bringt sein Glück mit«, sagtemeine Mutter, als sie davon erfuhr. Und so war es auch. Noch in derselben Woche beantragten wir für Nico und seine Familie eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung; ich hatte nach fünf Jahren Wartezeit die Staatsangehörigkeit der USA bekommen und konnte für sie bürgen.
    Willie und ich hatten uns 1987 kennengelernt, drei Monate, bevor du Ernesto trafst. Jemand behauptete damals dir gegenüber, ich hätte deinen Vater wegen Willie verlassen, aber ich kann dir versichern, daß das nicht stimmt. Dein Vater und ich hatten neunundzwanzig Jahre miteinander verbracht, ich war fünfzehn, er knapp zwanzig gewesen, als wir uns kennenlernten. Daß ich drei Monate nach unserem Entschluß, uns scheiden zu lassen, Willie finden würde, konnte ich nicht ahnen. Die Literatur führte uns zusammen: Willie hatte meinen zweiten Roman gelesen und war neugierig, mich bei einer Stippvisite im Norden Kaliforniens kennenzulernen. Mein Anblick war ernüchternd, weil ich überhaupt nicht der Typ Frau bin, der ihm gefällt, aber er überspielte das recht gekonnt und schwört heute Stein und Bein, er habe sofort eine »spirituelle Verbindung« gespürt. Keine Ahnung, was das sein soll. Ich wiederum mußte mich sputen, denn auf dieser verrückten Reise hüpfte ich kreuz und quer wie ein Gummiball von Stadt zu Stadt. Ich rief dich an, um deinen Rat zu hören, und du meintest lachend, weshalb ich denn fragte, es stehe doch schon fest, daß ich mich Hals über Kopf in dieses Abenteuer stürzen würde. Ich erzählte es Nico und bekam ein entgeistertes »In deinem Alter, Mama!« zu hören. Ich war fünfundvierzig und stand für ihn wohl bereits mit einem Fuß im Grab. Wenn das so war, dann hatte ich keine Zeit zu verlieren, ich mußte zum Punkt kommen. Meine Eile machte mit Willies verständlicher Vorsicht kurzen Prozeß. Ich brauche hier nicht zu wiederholen, was du schon weißt und was ich schon oft erzählt habe; Willie sagt, ich hätte fünfzigVersionen davon, wie unsere Liebe begann, und alle würden stimmen. Nur so viel: Wenige Tage nach unserem Telefonat ließ ich mein altes Leben hinter mir und landete uneingeladen vor der Haustür des Mannes, für den ich entflammt war. Nico behauptet, ich hätte »meine Kinder im Stich gelassen«, aber
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