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Das siebte Kreuz

Das siebte Kreuz

Titel: Das siebte Kreuz
Autoren: Anna Seghers
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Stimme, die ihm von dem Feldweg abriet, bis sie schließlich ganz übertönt war von seinem wilden Herzklopfen und dem Mittagsläuten von Buchenau. Ein helles, bittres Läuten, ein Armesünderglöckchen. Ein glasiger Himmel über das Dorf gestülpt, in das er jetzt einzieht. Er ahnt es selbst schon: eine Falle. Er passiert zwei Posten, die ihn anglotzen. Er spürt ihre Blicke im Rücken. Kaum ist er auf der Dorfgasse, da hört er hinter sich einen Pfiff, einen feinen Pfiff, der ihm durch und durch geht.
     
    Das Dorf ist plötzlich in Aufruhr. Pfiffe von einem Ende zum andern. Kommando: »Alles in die Häuser!« Die großen Tore knarrten. Georg stellte sein Maschinenteil ab, er schlüpfte durchs nächste Tor hinter einen Holzstapel. Das Dorf war eingekreist. Es war kurz nach Mittag.
     
    Franz war gerade in Griesheim in die Kantine gekommen. Er hatte gerade erfahren, daß das Holzklötzchen verhaftet war. Und nun packt Anton sein Handgelenk und sagt, was er weiß.
     
    In diesem Augenblick klopfte Ernst der Schäfer an Mangolds Küchenfenster. Sophie machte auf und lachte. Sie war rund und stark, aber mit feinen Gelenken. Die Sophie möchte ihm seine Kartoffelsuppe wärmen, seine Thermosflasche sei kaputt. Er sollte doch drin mitessen, sagte Sophie. Die Nelli könnte doch achtgeben.
     
    Seine Nelli, sagte Ernst, sei kein Hund, sondern ein Engelchen. Aber er habe nun mal ein Gewissen, und er sei nun mal dafür bezahlt. »Sophie«, sagte Ernst, »bring mir doch die Kartoffelsuppe heiß auf den Acker, Sophie, guck mich doch nicht so an. Wenn du mich so anguckst mit deinen kleinen goldigen Äugelchen, das geht mir durch und durch.«
     
    Er ging über die Felder zu seinem Karren. Er suchte sich einen sonnigen Fleck, breitete seine Lage Zeitungen aus, darüber seinen Mantel. Hockte sich hin und wartete. Er sah Sophie vergnügt entgegen. Wie die Äpfelchen, dachte er, so was Rundes, so was Aufgegangenes und mit feinen, feinen Stielchen.
     
    Sophie brachte ihm seine Suppe und von ihren Kartoffelklößen mit Birnschnitzen. Sie waren zusammen in Schmiedtheim in die Schule gegangen. Sie setzte sich neben ihn. »Komisch«, sagte sie. »Was?« – »Daß gerad du der Schäfer bist.«
     
    »Das haben die mir neulich auch gesagt, da unten«, sagte Ernst. Er deutete auf Höchst. »Sie sind doch ein starker junger Mann, da sind Sie doch zu was andrem von der Natur bestellt.« Ernst wechselte unglaublich schnell sein Gesicht und den Klang seiner Stimme aus, so daß er bald der Meier vom Arbeitsamt war, bald der Gerstl von der Arbeitsfront, bald der Bürgermeister Kraus von Schmiedtheim, bald er selbst, Ernst, aber der nur selten. »Warum überlassen Sie Ihren Platz nicht einem älteren Volksgenossen? – Da habe ich gesagt«, fuhr Ernst fort, nachdem er rasch ein paar Löffel Suppe verschluckt hatte, »in meiner Familie ist das Schäferhandwerk erblich seit den Tagen von Wiligis.« – »Von was für ‘nem Willi?« fragte Sophie. »Das haben die mich da unten auch gefragt«, sagte Ernst und verdrückte seinen Kloß mit den Birnschnitzen. »Ihr habt wohl damals in der Schule alle nicht aufgepaßt. Dann haben sie mich gefragt, warum ich nicht verheiratet bin, wo andre doch verheiratet seien, und sie hätten einen Nachwuchs, und sie verdienen ihr Brot viel saurer.« – »Was hast du denn da gesagt?« fragte Sophie ein bißchen heiser. »Ach«, sagte Ernst unschuldig, »ich hab gesagt, der Anfang sei ja schon gemacht.« – »Wieso?« fragte Sophie gespannt. »Weil ich schon verlobt bin«, sagte Ernst mit niedergeschlagenen Augen, wobei ihm doch nicht entging, daß Sophie ein wenig bläßlich und schlapp wurde. »Ich bin verlobt mit dem Mariechen Wielenz aus Botzenbach.« – »Ach«, sagte Sophie mit gesenktem Kopf, und sie strich über ihren Beinen den Rock zusammen, »die ist doch noch ein Schulkind, die Mariechen Wielenz aus Botzenbach.« – »Macht nichts«, sagte Ernst, »ich seh meiner Braut gern beim Heranwachsen zu. Das ist auch eine lange Geschichte, die erzähl ich dir mal.« Sophie knickerte an einem Halm herum. Sie zog ihn glatt und dann zwischen den Zähnen durch. Sie sagte spöttisch-traurig vor sich hin: »Verliebt, verlobt, verheiratet…« Und Ernst, der seinen Spaß an ihr hatte und dem gar nichts entging, weder ihre Gemütsbewegung noch das Herumgezuck ihrer Hände, stellte die zwei Teller übereinander, nachdem er sie abgeleckt hatte, und er sagte: »Danke, Sophie. Wenn du alles so gut kannst wie Klöße
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