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Das sexuelle Leben der Catherine M.

Das sexuelle Leben der Catherine M.

Titel: Das sexuelle Leben der Catherine M.
Autoren: Catherine Millet
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konnte, die ich nicht demütigend fand, aber wenigstens stimmte es mich heiter, wenn ich mich in einer ekligen Flüssigkeit suhlen konnte.
    Manche Stellungen kommen einem Riesenbaby wenig entgegen, das gerne am großen Euter hängt. Dass ich nicht dominant bin, ist das Wenigste, was man über mich sagen kann, weder in moralischer noch in sexueller Hinsicht; ich führte nie einen Mann am Gängelband und in den kleinen perversen Inszenierungen hatte nicht ich die Peitsche in der Hand. Es ging mir immer ziemlich auf die Nerven, Schläge geben zu müssen. Dem Mann, mit dem ich mich in der Nähe der Gare de l’Est traf, reichte es nicht, meine Spalte auszulecken, zwischendurch hob er den Kopf und verlangte mit geschürzten Lippen Ohrfeigen. Ich weiß nicht mehr, welche Worte er benutzt hat, ich weiß nur noch, dass er mich dabei »meine Königin« nannte, was ich lächerlich fand. Ich sah, wie er den Hals reckte, und irgendetwas in diesem Gesicht stieß mich ab, wenn seine Züge vor Erwartung weich wurden und die feuchten Lippen aussahen wie der Mund eines Säufers, bei dem das Getränk einen Bart auf der Oberlippe hinterlässt, wenn er das Glas leert. Das half mir jedoch nicht, ihn ausreichend heftig zu schlagen. Ich war guten Willens, aber ich konnte ihn leider nicht wirklich befriedigen. Ich langte ihm rechts und links eine, aber die Angst, ihn mit einem Ring aufzuschürfen, bremste meine Hand. Manchmal schlug ich ihn erst mit einer Hand, dann mit der anderen, und versuchte, mehr Beherztheit in jeden Schlag zu legen, doch es fiel mir schwer, das Gleichgewicht zu halten, wenn ich mit dem Hintern an der Bettkante oder am Sesselrand saß und ich den Kopf, der zwischen meinen Schenkeln auftauchte, nicht bequem schlagen konnte. Jedenfalls war ich nicht überzeugend. Paradoxerweise glaube ich, dass ich mich leichter darauf eingelassen hätte, dass ich mich leichter dazu hätte hinreißen lassen und ihn befreiter geschlagen hätte, wenn er selbst es nicht so ernst genommen hätte, wenn er seine Forderung mit ein wenig Humor oder mit einer Beharrlichkeit vorgebracht hätte, die ich für ein Spiel halten konnte.
    Doch da ich dazu wenig Bereitschaft zeigte, hat er nie weiter darauf bestanden, und ich weiß nicht, ob er mit anderen Frauen seinen Masochismus besser ausleben konnte. Für mich fügten sich die Sequenzen mit den Ohrfeigen in die ganze Unentschlossenheit unserer Beziehung, die unseren seltenen und zufallsabhängigen Treffen unterworfen war. Sie zogen meine Wartezeit auf den Schwanz hinaus, auch wenn sie nicht sehr lange dauerte. Wie gesagt, ging ich schon in großer Erregung zu den Treffen. Schon bei den ersten Zungenküssen, in den ersten Momenten, wenn sich seine Arme unter meine Kleider schoben, war mein Verlangen heftig. Dann steigerte das nie befriedigende Lutschen die Lust fast ins Unerträgliche. Doch wenn dann die Zeit gekommen war und er in mich eindrang, riss meine innere Schnur; ich hatte zu lange gewartet. Wahrscheinlich hätte ich den Zyklus der Lust anders betrachten sollen, hätte die Zärtlichkeiten des Mundes als Präludium nehmen sollen, mich nicht mit dem Vögeln beschäftigen, die Zeit zwischen zwei Treffen als genüsslichen Nachhall der Zärtlichkeiten zulassen und der Wirklichkeit ins Auge sehen sollen: Die Fermate war der Moment, in dem er mich, noch beide im Mantel, ohne guten Tag oder guten Abend brüsk an sich drückte, kaum dass er mir die Tür geöffnet hatte. Dann hätte sich die Perfektionistin, die ich bin, lieber nicht wie ein Schulmädchen in das unerquickliche Erlernen der Kunst der Ohrfeigen gefügt, sondern all die kleinen Präliminarien, Koketterien und Knutschereien ins Spiel gebracht, die man ganz von selbst anwendet.
    Wenn ich dominieren muss, ziehe ich es vor, einen Mann zu besteigen, der auf dem Rücken liegt. Es ist egal, welche Stellung man in einem Rollenspiel einnimmt. Als ich sehr jung war, wollte ich immer die Raffinierte spielen, ich nannte es die »Eiffel-Turm-Stellung«, der Turm hätte die Seine überspannt, und die Seine wäre ein reißender Strom gewesen, der den Turm in einer Woge angehoben hätte. Kolbenbewegung, von oben nach unten; der Hintern macht jedes Mal ein lautes Geräusch, wenn er auf die Schenkel des Mannes trifft; die bauchtanzartigen Windungen, die ruhigste Bewegung, die man ausführt, wenn man sich erholt oder um die Fantasie zu beleben; das Wippen von vorn nach hinten, die schnellste Bewegung und die lustvollste für mich – all das kenne ich
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