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Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)
Autoren: Claudia Kern
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legte meine Wange an die seine. Ich spürte seinen Atem im Haar. Er war dünn und leicht, der Rauch eines erloschenen Feuers.
    »Ich werde dich vermissen«, flüsterte er.
    Ich wartete vergeblich auf seinen nächsten Atemzug.
    Sie schlugen Cornelius noch am selben Tag den Kopf ab. Es war mir egal. Ich hockte am Boden und starrte auf das Blut, das langsam im Sand trocknete. Die anderen ließen mich allein, nur Hugo blieb in meiner Nähe. Einige Male sprach er mich an, aber ich antwortete nicht.
    Ich wollte weinen, musste weinen, um das Brennen in meinem Körper zu löschen, aber es kam keine Träne. Als die Sonne langsam hinter den Mauern unterging, hob ich den Kopf und sah Hugo an.
    »Ich will nach Hause.«

Epilog
    »Erzähl ihm deine Geschichte«, sagt Josef.
    Ich sehe nicht auf. Der Boden unter meinen Knien ist weiß und so rein, dass ich mich schäme, ihn zu berühren. Ich verberge meine Hände in den Falten meines Umhangs, damit niemand sieht, wie schmutzig sie sind.
    »Erzähl sie ihm.«
    Ich höre Stoff rascheln. Jemand räuspert sich. Das Geräusch hallt durch den Saal.
    Burg Drachenfels wartet darauf, dass ich beginne, aber ich weiß nicht, wo ich ich anfangen soll. Meine Geschichte gehört nicht nur mir, sondern allen, die an ihr beteiligt waren; Hugo und Konrad, Lena und Lukas, Richard, Ott und Erik, aber vor allem gehört sie Nicolaus, ihm vielleicht mehr als mir selbst. Für sie muss ich einen Anfang finden, den Tag, die Stunde wählen, an der die Geschichte begann, damit der, vor dem ich knie, ihr Ende schreiben kann.
    Eine Hand berührt meinen Arm, beruhigend, auffordernd. Ich hebe den Kopf. Sonnenlicht strömt durch Fenster hoch wie Kirchtürme. Die Helligkeit blendet mich. Der Graf auf dem Thron ist eine dunkle Silhouette, umgeben von funkelndem, gleißendem Licht. Meine Augen beginnen zu tränen, aber ich senke den Blick nicht.
    Nicht mehr.
    Und dann wähle ich einen Anfang. Auf einmal ist das ganz leicht.
    Ich sehe die Silhouette an und öffne den Mund.
    »Das war doch nicht schwer«, sagt Josef, als wir das Haupthaus verlassen.
    Ich schüttele den Kopf. Nein, es war nicht schwer. Nichts ist schwer, wenn einem alles egal ist.
    »Wirklich nett vom Grafen, dass du wieder als Magd arbeiten darfst.« Josef ist unsicher. Er weiß, dass er mich nicht mehr kennt, aber er hat gewartet, die ganze Zeit auf mich gewartet. Er ist ein guter Mann, und ich werde ihm eine gute Frau sein. Ich werde versuchen, ihm Kinder zu gebären, ich werde jeden Morgen den Weg zur Burg hinaufgehen und jeden Abend wieder hinunter. Ich werde mit den Mägden über die Ernte sprechen und über die Kleider der feinen Leute. Hugo wird uns auf den Feldern helfen und eines Tages ein Mädchen finden. Ich werde zur Kirche gehen und das Heilige Sakrament empfangen.
    Und ich werde es aus dem Mund nehmen, in meiner Hand verstecken und vergraben.
    Ich werde nicht zu Vater Ignatius gehen, er wird keinen Brief nach Rom schicken, ich werde nie wieder in die Gemeinschaft der Gläubigen zurückkehren.
    Diego soll mich nicht vermissen, nicht für eine Ewigkeit. Ich werde zu ihm kommen, wir werden zusammen sein. An dem Ort, an den die Juden gehen.
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