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Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)
Autoren: Claudia Kern
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Wir sprachen zwar nie darüber, aber ich war mir sicher, dass wir den alten, steilen Pfad nur benutzten, damit wir es erst in der Burg tragen mussten. Auf dem Hauptweg mit all den Karren und Menschen wäre das nicht gegangen. Nur Gertrud trug ihre Haube bereits, wenn sie morgens den Hof verließ. Sie war eine fromme Frau, wahrscheinlich frommer als alle anderen Mägde. Ich versuchte zu ihr aufzusehen, so wie Vater Ignatius es mir in der Beichte geraten hatte, aber das fiel mir schwer.
    »Vielleicht hat er dir deshalb diesen Rat gegeben«, hatte Klara gesagt, als ich ihr davon erzählte. »Wenn es leicht wäre, könnte ja jeder Heide fromm sein.«
    Wir gingen durch das breite Eingangstor. Es stand offen, Soldaten waren keine zu sehen. Von den Türmen überblickte man das ganze Land, kein Feind konnte sich der Burg ungesehen nähern. Eine Gruppe Knechte kam uns entgegen. Sie schoben hölzerne Handkarren vor sich her, auf denen Werkzeug und in Tuch eingeschlagenes Brot lagen, das sie in der Küche bekommen hatten. Sie waren auf dem Weg zum Steinbruch unterhalb der Burg. Es waren keine alten Männer unter ihnen. Die Arbeit am Berg war hart und gefährlich.
    Einer der Knechte blieb neben uns stehen, während die anderen mit gesenkten Köpfen und müdem Blick weitergingen. Er grinste. Sein Name war Matthias.
    »Seid gegrüßt, Weibsvolk«, sagte er. »Was treibt ihr euch zwischen den Bäumen herum? Wissen eure Männer davon?«
    Er sprach uns alle an, aber sein Blick war auf Agnes gerichtet. Sie sah zu Boden und errötete.
    »Mein Mann müsste sich nie Sorgen um mich machen«, sagte sie so laut, dass sich die Pferdeknechte neben den Stallungen zu uns umdrehten. »Ich wäre ihm eine gute Frau.«
    Matthias zögerte, schien nicht zu wissen, was er darauf entgegnen sollte.
    Bevor er eine Entscheidung treffen konnte, mischte sich Gertrud ein. »Unser Herr gibt uns den Lohn nicht fürs Herumstehen. Kommt.«
    Agnes wirkte erleichtert, Matthias enttäuscht.
    »Ich habe auch noch zu tun«, sagte er. »Wir sehen uns zum Osterfest.«
    »Ich werde da sein, aber nicht Madlen.« Agnes sprach etwas leiser als zuvor. »Sie geht auf Pilgerfahrt nach Köln.«
    Matthias hatte sich bereits abgewandt, sah aber noch einmal zurück. »Ich weiß. Alle reden davon.«
    Am liebsten hätte ich ihn gefragt, was sie redeten, stattdessen nickte ich und lächelte.
    Wir gingen an Schweinen vorbei, die im angetauten Lehm nach Würmern suchten, in den kleinen Innenhof. Hühner gackerten zu unseren Füßen. Eine schwarze Katze lief von den Stallungen quer über den Hof zu einem der Vorratskeller. Sie war trächtig. Wir alle bekreuzigten uns, die schwangere Klara gleich mehrfach.
    »Geh in die Kapelle und spritz etwas Weihwasser auf deinen Bauch«, sagte ihr Gertrud. »Ich will nicht, dass dir das Gleiche passiert wie Käthe.«
    Joanna, eine kleine, rundliche Frau, die für fast alle im Dorf die Kleidung nähte, atmete so laut aus, dass es wie ein Stöhnen klang. Wir hatten die Geschichte von Gertruds Schwester und ihrem seelenlosen Kind schon dutzende Male gehört.
    »Sie hätte es besser wissen müssen«, sagte Gertrud erwartungsgemäß. »Eine schwarze Katze gehört nicht ins Haus einer Schwangeren. Angestarrt hat das Biest sie, als das Kind kam. Käthe sagt, sie hätte Satan persönlich …« – sie bekreuzigte sich hastig, wir folgten ihrem Beispiel – »… in ihren gelben Augen gesehen. Ganz deutlich. Und dann hat sich die Katze auf die Hinterläufe aufgerichtet, ist zu einem schwarzen Mann geworden und davongelaufen. Sie hat dem kleinen Utz alles gestohlen, was der Schöpfer ihm mit auf den Weg gegeben hat. Seinen Verstand, seine Stimme und das Augenlicht. Ein Jahr hat er gelebt, bevor es Gott gefiel, ihn an seine Seite zu holen.«
    Gertrud redete weiter, erzählte von dem schwarzen Mann, der Käthe bis zum Tod in ihren Träumen heimgesucht hatte, aber ich hörte nicht mehr zu. Sogar Klara, für die diese Lektion gedacht war, nickte nur noch abwesend.
    Wir gingen durch einen Torbogen, über dem die Zimmer der Hausdiener lagen. Als Kind hatte ich geglaubt, eines Tages einmal dort zu wohnen, hinter dicken Mauern mit Fußböden aus Stein und einem Bett aus Holz. Mein Vater hatte gelacht, als ich ihm davon erzählt hatte, also erwähnte ich es nie wieder. Aber ich dachte immer daran, jeden Morgen, wenn ich in den großen Innenhof vor dem Haupthaus trat. Ich wusste, dass es anmaßend war und falsch, dass ich mir ein anderes Los wünschte als das, was Gott
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