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Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)
Autoren: Claudia Kern
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mir in seiner Gnade zugewiesen hatte, aber ich konnte nicht anders. In der Beichte brachte ich das nicht mehr zur Sprache. Hundert Rosenkränze und so viele Ave-Marias, wie es Sterne am Himmel gab, hätten an meinen Gedanken nichts geändert.
    Sonnenlicht fiel auf das Banner von Burg Drachenfels. Nach dem nächtlichen Regen hing es schlaff und nass an seiner Stange über dem Haupthaus, inmitten der Zinnen und Türme. Ich hatte Geschichten darüber gehört, wie es im Inneren aussah, über die vielen Räume, die Teppiche an den Wänden, die Gemälde, Kissen, Betten, Vorhänge und die Truhen voller Gold. Wie gern hätte ich es einmal von innen gesehen, doch dafür hätte ich in den Zimmern über dem Torbogen leben müssen.
    Ich wandte mich vom Haupthaus ab und folgte Gertrud zum Küchentrakt. Der Geruch von frisch gebackenem Brot hing über dem Hof, Rauch zog aus den geöffneten Türen und den Rauchabzügen im Dach. Kleine, strohgedeckte Hütten lehnten an den Mauern rund um das Gebäude. Zwischen ihnen standen Holz eimer voller Sand. Seit dem Feuer einige Jahre zuvor hatten die Köche und Bäcker, die in den Hütten lebten, darauf zu achten, dass die Eimer stets gefüllt waren. Wer das vergaß, konnte mit der Peitsche bestraft werden.
    »Ich bin gleich wieder da«, sagte Klara, als Gertrud kurz Luft holte. Sie bog nach links zu der kleinen Kapelle neben der Kaserne ab, in der die Herren der Burg ihre Gebete zu sprechen pflegten. Ein Junge saß auf den Steinstufen, die zum Eingang führten, und wärmte sein Gesicht in den ersten Sonnenstrahlen des Tages. Er trug eine Mönchskutte. Ich kannte ihn nicht, schätzte aber, dass er ungefähr so alt war wie Hugo, mein Erstgeborener. Wahrscheinlich gehörte er zum Kloster Heisterbach. Die Mönche dort kümmerten sich um die Kapelle.
    Der Junge sah auf, als Klara vor ihm stehen blieb. Ihr Schatten fiel über sein Gesicht, sie sagte etwas, er schüttelte den Kopf, dann zeigte sie zurück in den kleinen Innenhof, in dem wir die Katze gesehen hatten. Er hörte ihr einen Moment lang zu, dann nickte er, stand auf und betrat die Kapelle. Klara blieb draußen stehen.
    Wir hatten schon fast den Küchentrakt erreicht, als der Junge mit einem Krug in der Hand zurückkehrte. Er tauchte die Finger hinein und spritzte Wasser auf Klaras Hemd, dann zog er ein Holzkreuz unter seiner Kutte hervor und legte die Hände darum. Klara fiel vor ihm auf die Knie, senkte den Kopf und faltete die Hände, als er zu beten begann. Der Junge hatte eine hohe, näselnde Stimme, die immer wieder kippte, so als glitte sie auf den lateinischen Worten aus. Er war im Stimmbruch. Ich fragte mich, ob ich Hugos Stimme wohl wiedererkennen würde, wenn er mich begrüßte. Konrads ja, er war noch zu jung für den Stimmbruch, aber Hugos? Nur einen Tag noch, vielleicht zwei, dann würde ich es erfahren. Bei dem Gedanken spürte ich ein Kribbeln im Magen.
    Die anderen gingen an mir vorbei in den Küchentrakt. Laute Stimmen drangen aus den Räumen, irgendwo sang eine Frau. Ich sah zurück zu Klara. Der Mönch hatte sein Gebet beendet und saß bereits wieder auf den Stufen. Klara ging auf mich zu.
    »Was hat er gesagt?«, fragte ich, als sie neben mir stehen blieb.
    »Dass es richtig war, sofort zu ihm zu kommen«, antwortete sie mir, und ihre Wangen waren vor Aufregung gerötet. »Er konnte mich nicht reinlassen, weil unsere Herren gerade beichten, aber er hat Weihwasser geholt und mich gesegnet.« Sie atmete tief durch. »Ich hoffe nur, mir passiert nicht, was Käthe widerfahren ist. Kennst du die Geschichte?«
    Einen Moment lang wusste ich nicht, was sie damit meinte, aber dann sah ich das Zucken in ihren Mundwinkeln.
    »Ich kann ja mal Gertrud fragen.«
    Wir lachten, als wir den Küchentrakt betraten. Die Wände auf beiden Seiten des schmalen Gangs waren rußbedeckt und schmierig. Es roch nach altem Fett.
    Wir gingen an der Räucherkammer vorbei und betraten die Küche. Gertrud und die anderen Mägde standen im Halbkreis um die Feuerstelle und wärmten sich. Ein Topf hing an einer Eisenkette über dem Feuer. Darin kochte Haferschleim.
    Helene und ihre Schwester Kunigunde saßen auf einer Bank neben dem großen Holztisch in der Mitte des Raums und zerstießen Mandeln in hölzernen Mörsern, die sie zwischen ihre Schenkel geklemmt hatten. Ihre Augen waren vom Rauch gerötet.
    Köche, Bäcker und Lehrlinge eilten durch den Raum. Sie trugen Körbe mit Roggenbrot, Fässer voller Sauerkraut und Stangen, an denen geräucherte
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