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Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)
Autoren: Claudia Kern
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abzudrängen. Er ahmt immer alles nach, was ich mache, nur weiß er dann, wie’s geht, weil ich’s ihm ja vormache, und kann meine Fehler vermeiden und es besser machen. Deshalb gewinnt er jedes Mal, und ich verliere.« Er spuckte ins Feuer. Ich ließ ihn reden. »Sie taten nicht mehr, was Nicolaus sagte, sondern nur noch, was sie wollten. Nicolaus war zwar immer schwerer zu verstehen, aber ich denke, das war, weil er immer heiliger wurde und wir immer sündiger. Irgendwann konnten wir ihn gar nicht mehr verstehen.« Hugo hob die Schultern. »Ich habe es lange versucht, sogar bis wir auf die Schiffe gingen. Ich weiß nicht, was danach aus ihm geworden ist. Wir waren nicht auf demselben Schiff.«
    »Er ist tot«, eröffnete ich ihm. »Lena und ich waren dabei, als er starb.« Mehr sagte ich nicht. Niemand außer mir wusste von dem Mal, und so sollte es auch bleiben.
    »Ist vielleicht besser so.« Hugo sah in die Flammen. »Dann wird er nie erfahren, was aus uns geworden ist.«
    Ruhig erzählte er weiter, von der Reise und dem Hunger, von den Toten und denen, die sich den Tod gewünscht hatten. Er war noch immer zutiefst enttäuscht darüber, dass sich das Meer in Genua nicht geteilt hatte, das merkte ich ihm an. Er hatte fest daran geglaubt, vielleicht so fest wie Nicolaus selbst.
    »Ich stützte ihn und betete, bis meine Stimme versagte und meine Beine nachgaben, aber nichts geschah. Die Wellen schlugen gegen die Hafenmauer, die Leute lachten uns aus.« Hugo schüttelte den Kopf. »Und dann kam Jakob das Schwein. Er bot uns eine Passage ins Heilige Land an. Ich wusste, dass etwas daran faul war, aber Lukas und Konrad befahlen mir, den Mund zu halten. Wir Brüder mussten die anderen bewachen, damit niemand abhaute. Dabei hatte Nicolaus doch gesagt, ein einziger rechtschaffener Christ würde reichen, um die Sarazenen zu vertreiben. Warum mussten alle mitkommen?« Er holte tief Luft. »In Antioch wurde es mir klar. Jakob das Schwein wollte uns in die Sklaverei verkaufen und …« Hugo sah mich an. »Und Konrad und Lukas haben das gewusst. Sie haben gemeinsame Sache mit ihm gemacht.«
    »Nein, du irrst dich!« Ich schob die Oliven, die uns ein Dorfbewohner geschenkt hatte, zur Seite. »Lukas hat das vielleicht getan, aber Konrad niemals.«
    »Ich habe sie doch gesehen, Mutter. Sie saßen mit Jakob am Hafen und tranken Wein, während die Ritter auf uns Gebote abgaben.«
    Diego sah mich an. Das Mitgefühl in seinem Blick gefiel mir nicht, denn es erweckte ganz den Eindruck, als würde er Hugo glauben. »Nein, Konrad ist klug. Wahrscheinlich hat er nur mitgespielt, um nicht selbst verkauft zu werden und euch dann zu helfen. Das würde zu ihm passen.«
    Hugo wurde wütend und stand auf. »Du hast ihn immer schon vorgezogen, seit dem Tag, an dem er geboren wurde. Dabei hat er dich und Vater nur ausgenutzt und hintergangen. Ich wollte Schreiner werden, nicht er, aber er konnte es nicht ertragen, dass ich mehr bekam als er, also hat er euch so lange in den Ohren gelegen, bis ihr euch zwei Lehren vom Mund abgespart habt. Ihr wärt fast verhungert.«
    »Aber du bist in der Schreinerei rausgeflogen wegen deines Jähzorns, und Konrad war derjenige, der dir geholfen hat.« Ich stand ebenfalls auf.
    »Ich weiß nicht, wovon du redest«, entgegnete Hugo. »Ich bin rausgeflogen, weil die Geschäfte schlecht gingen und sich der Meister nur noch einen Lehrling leisten konnte, und das war natürlich Konrad. Ich habe ihn erst bei Nicolaus’ Rede wiedergesehen.«
    Ich dachte an das, was Konrad mir erzählt hatte. »Ihr …«, begann ich, ohne zu wissen, wie ich fortfahren sollte. »Ihr müsst euch aussprechen, wenn das alles vorbei ist. So ein Streit zwischen Brüdern ist schlimm.«
    Hugo lachte. Es klang bitter. »Du wirst bis zu deinem Ende zu ihm halten, oder, Mutter? Selbst auf dem Kreuzzug, nachdem er Erik und dich im Stich gelassen hat, hast du noch auf seiner Seite gestanden. Dabei gab ich euch Käse. Aber es geht ja um Konrad, immer nur um ihn. Wenn ich ihm das nächste Mal begegne, werde ich ihn töten. Er hat es verdient.«

Kapitel 31
    Er sprach es nie wieder aus, trotzdem steckten seine Worte wie Pfeile in meinem Herzen. Sie schmerzten. Nur zwei meiner Kinder hatten überlebt, und nun wollte der eine Sohn den anderen umbringen. Ich würde es nicht zulassen, das schwor ich mir.
    Wir zogen durch ein fruchtbares grünes Land. Je weiter südlich wir kamen, desto weniger Kirchen sahen wir. Irgendwann verschwanden sie ganz, wurden
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