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Das Schwert des Sehers

Das Schwert des Sehers

Titel: Das Schwert des Sehers
Autoren: Daniel Loy
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langsam reagieren und bei jedem Kampf nur im Weg sein würden. Sein schmächtiger Begleiter hielt klugerweise bereits eine gespannte Armbrust in der Hand, weil er sonst wohl ohnehin zu nichts zu gebrauchen war.
    Dauras betrachtete prüfend ihre Ausrüstung: Kleidung, Waffen und ein etwas wahlloses Sammelsurium von Rüstungsteilen aus Eisen und Leder. Alles zusammen mochte etwa dreißig Goldmark einbringen. An baren Münzen im Säckel trugen die Männer kaum mehr als ein paar Bronzemark. Armselig. Dauras nahm einen Schluck aus seinem Krug.
    Zu dieser frühen Nachmittagsstunde saßen nicht viele Gäste in der »Forelle«. Die Einheimischen erhoben sich rasch, als die Fremden hereinkamen, andere Reisende waren klug genug, ihrem Beispiel zu folgen. Nur Dauras blieb sitzen und starrte in sein Bier.
    Die beiden Neuankömmlinge bauten sich vor seinem Tisch auf. Der Muskelprotz stand direkt neben ihm, und Dauras roch dessen Schweiß und das fettige Leder. Der Kerl mit der Armbrust wartete zwei Schritte dahinter.
    »He, du da«, hörte Dauras den Kräftigen sagen.
    Er vernahm eine leichte Unsicherheit in der Stimme und grinste. Die Männer hatten sich ohne Zweifel vergewissert, dass er hier war, bevor sie die Schenke betraten. Aber die Kapuze verbarg sein Gesicht, und sie waren sich noch nicht sicher, ob er es war.
    Sie wussten nichts über ihn.
    »He, ich rede mit dir.« Der Große zog sein Schwert. Dauras hörte, wie der Stahl über das Leder schabte, er spürte die Bewegung vor seiner Stirn, nur durch eine Schicht dünnen fleckigen Tuchs von seiner Haut getrennt. Der Krieger schob Dauras’ Kapuze mit der Schwertklinge nach hinten.
    »Wohl taub, oder was?« Er legte die linke Hand unter Dauras’ Kinn und zog den Kopf nach oben. »Schau mich gefälligst an, wenn ich   …«
    Er erstarrte. Dauras wusste, was der Fremde in seinem Gesicht sah, obwohl er selbst es niemals so wahrnehmen würde. Doch man hatte ihm den Anblick oft genug beschrieben, seit er die Mauern des Klosters verlassen hatte: starre graue Augen, wie mit einem nebligen Schleier überzogen. »Die Augen eines Toten«, so hatte ein Söldner ihm einmal ins Gesicht gesagt.
    »He, der ist blind!« Der muskelbepackte Krieger drehte sich zu seinem Gefährten um.
    »Scheiße, kann nich’ sein«, antwortete der Mickerling. Er hielt die kleine Armbrust mit einer Hand und nestelte mit der anderen ein Blatt Papier hervor.
    Dauras atmete aus. Er packte den kräftigen Schwertkämpfer an beiden Handgelenken und riss ihn zur Seite. Mit dem Fuß sichelte er ihm die Beine weg. Der Mann taumelte nach hinten, auf seinen Begleiter zu und genau in die Schussbahn des Bolzens hinein, den der Armbrustschütze vor Schreck fliegen ließ. Das Geschoss traf den bulligen Schwertschwinger an der Schulter.
    Dauras sprang auf. Er fing das Schwert, das dem Getroffenen aus der Hand fiel, setzte über den Stürzenden hinweg und stieß dem Schützen die Klinge in die Kehle, bevor der überhaupt bemerkt hatte, dass er seinen Bolzen längst verschossen hatte.
    Der Mann ließ das Papier los, das er in der Linken hielt.Er brach zusammen und wedelte dabei immer noch mit der nutzlosen Armbrust in Dauras’ Richtung, die Finger um den Abzug verkrampft.
    Dauras fuhr herum und hieb dem ersten Gegner die Klinge in den Nacken.
    Er atmete ein. Der Kampf war vorüber. Diese Männer waren so langsam gewesen   – so langsam wie alle Menschen, denen er jemals begegnet war. Verächtlich verzog Dauras das Gesicht.
    Der Wirt lief herbei, ein freundlicher, schmächtiger Mann jenseits der fünfzig. Er rang die Hände. »Bitte, Herr!«, sagte er. »Nicht in meinem Gasthaus! Nicht immer in meinem Gasthaus!«
    Mit geübten Bewegungen drehte Dauras die noch zuckenden Leichen auf den Rücken und pflückte alles von ihrem Körper, was einen Wert hatte.
    »Was beklagst du dich bei mir, Wirt?«, knurrte er. »Sie haben mich zuerst angegriffen, oder nicht?«
    »Aber nur, weil Ihr sie mit diesen Dingern zu Euch lockt!« Der Wirt wies auf das Blatt, das der Armbrustschütze im Augenblick seines Todes verloren hatte.
    Dauras hob das Papier auf. Wie durch ein Wunder war kaum Blut darangekommen, man konnte es gut noch einmal verwenden. Die Steckbriefe waren teuer genug gewesen, und der Kupferstich darauf, so hatte er sich sagen lassen, sah ihm verblüffend ähnlich. Dauras bedauerte fast, dass er selbst niemals sehen würde, wofür er sein Geld ausgegeben hatte.
    Er faltete den Bogen Papier sorgfältig zusammen und steckte ihn
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