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Das Schwert der Keltin

Das Schwert der Keltin

Titel: Das Schwert der Keltin
Autoren: Manda Scott
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Scherben aus Licht flogen in alle Richtungen und verloren sich in der Dunkelheit. Der Fluss jedoch strömte weiter ungehört dahin, sein Murmeln übertönt vom hektischen Trommeln von Bärenklauen auf hohlen Schädeln, das von einem Berghang in der Nähe herüberschallte. Das Licht von vielen ruhelos flackernden Lagerfeuern vergoldete den Saum des Wassers, und die Luft darüber war von Rauchschwaden durchzogen. Nur unten am Fluss fand man noch Abgeschiedenheit und Dunkelheit und die nötige Ruhe, um die Götter um ihren Beistand zu bitten.
    »Verleih mir Mut!«
    Der zweite Kieselstein schnitt den Rand des Mondes ab und versank sofort im Wasser. Der von den dunklen Berghängen im Hintergrund herübertönende Lärm der Schädeltrommeln schwoll an und erreichte seinen Höhepunkt. Eine Frauenstimme rief die Götter in der Sprache der nördlichen Ahnen an. Andere Stimmen antworteten, grunzend und brummend, und der unregelmäßige Rhythmus der Trommeln veränderte sich. Es war nicht gut, zu genau darauf zu horchen, sich zu sehr in den hypnotisierenden Takt zu vertiefen; im Laufe der Jahre hatte sich schon manch eine Seele in dem verworrenen, kompliziert gewebten Netz aus Knochenklängen verirrt und nie mehr den Weg zurück nach Hause gefunden.
    »Für Brigas Beistand im Kampf!«
    Der dritte Kieselstein, zielgenauer als seine beiden Vorgänger, sprang neunmal über das Wasser und versank dann genau im Herzen des Mondes, um das Gebet direkt und ohne die Vermittlung des Flusses den Göttern zu überbringen. Wenn ein Krieger an Omen glauben wollte, dann war dies auf jeden Fall ein gutes. Breaca trat einen Schritt vom Ufer zurück, als der Mond sich wieder auf der Wasseroberfläche zusammensetzte, ein scharf umrissener Halbkreis aus Silber, der still auf einem Bett aus sanft wogenden schwarzen Fluten ruhte.
    Sie bückte sich, um einen vierten Stein aufzuheben. Er war breiter und flacher als die anderen und schmiegte sich glatt in ihre Handfläche. Diesmal hauchte Breaca ein anderes Gebet auf den Kiesel, eines, dessen Wortlaut nicht der Überlieferung entstammte.
    »Für Caradoc und Cunomar, dafür, dass sie in Glück und Frieden leben, falls ich im Kampf fallen sollte. Briga, Mutter des Krieges, des Gebärens und des Sterbens, kümmere dich an meiner Stelle um sie.«
    Dies war kein neues Gebet; in den dreieinhalb Jahren, seit ihr Sohn geboren worden war, hatte Breaca es schon unzählige Male im Geiste gesprochen, kurz bevor sie in eine Schlacht geritten war - in jenen letzten Augenblicken vor dem Aufeinandertreffen mit dem Feind, wenn sie alles und jeden, den sie liebte, aus ihrem Bewusstsein verdrängen und vergessen musste. Breaca hatte schon früh gelernt, dass ein Krieger, der am Leben bleiben wollte, mit leerem Kopf in ein Gefecht ritt; denn wer in solchen Momenten irgendwelchen Gedanken nachhing oder sich durch plötzlich aufsteigende Erinnerungen ablenken ließ, dem konnte es passieren, dass er sein Schwert zu langsam zog oder seinen Schild zu spät hob, und das wiederum konnte tödliche Folgen für ihn haben. Der einzige Unterschied war der, dass sie das Gebet jetzt und hier - in der rauschenden Dunkelheit am Flussufer, fernab von dem Chaos der Kampfvorbereitungen - zum allerersten Mal laut gesprochen und dabei deutlich gespürt hatte, dass es von den Göttern vernommen worden war. Sie befand sich an einem Gewässer, das Nemains Reich war, und es war am Vorabend einer Schlacht, die wiederum Brigas Domäne war, und die Götter waren lebendig und wandelten über den Berghang, herbeigerufen von den Scharen von Träumern, deren zeremonielle Feuer den Nachthimmel erleuchteten.
    Nach annähernd vier Jahren der Verzweiflung konnte Breaca nun plötzlich spüren, dass die Aussicht auf Freiheit in greifbarer Nähe war, wenn sie nur entschlossen genug waren, den Sieg zu erringen. Mit der Hilfe der Götter, davon war sie überzeugt, könnten sie es schaffen.
    Erfüllt von einer Hoffnung, die größer war als jede, die sie seit dem Einmarsch der Römer empfunden hatte, riss Breaca den Arm zurück, um ihren Stein auf den Fluss hinauszuschleudern.
    »Mama?«
    »Cunomar!« Sie drehte sich zu schnell herum. Der Kieselstein schlitterte ein kurzes Stück über die Wasseroberfläche und versank. Auf der steilen Uferböschung über ihr stand ein Kind, vom Schlaf zerzaust und unsicher im Dunkeln umhertappend.
    Hastig streckte Breaca die Arme aus, packte ihren Sohn um die Taille und hob ihn herunter zum Rand des Wassers, wo er gefahrlos
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