Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schwein war’s: Kriminalroman (German Edition)

Das Schwein war’s: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Das Schwein war’s: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Joseph Caldwell
Vom Netzwerk:
rührte sich nicht. Aaron bewegte sich auf dessen linke Seite zu. Er würde es sich von der Seite her vornehmen. Aber noch ehe er zum Zuge kam, drehte sich das Schwein mit einem missmutigen Grunzer um und machte einen Satz denHang hinauf. Aaron zögerte einen kurzen Moment, nicht aus Entscheidungsnot, sondern weil ihn das Tier überrumpelt hatte. Es war ein Spielverderber. Dann jagte er den Hügel hinauf, die Gerte wie eine Wünschelrute schwingend, die sich nicht damit abfinden konnte, dass man ihre Verheißungen stets von neuem ignorierte.
    Das Schwein strebte weiter nach oben und gewann an Tempo, als es förmlich in einen Galopp ausbrach. Aaron ihm hinterher, fest entschlossen, es nicht entkommen zu lassen. Noch nicht ganz auf der Kuppe angelangt, scherte das Schwein nach links aus und zog einen Bogen, der auf die andere Seite des Hügels führte. Der Abstand zwischen ihnen wurde geringfügig kürzer, doch Aaron wurde bange, wie lange er noch mit dem Luftholen durchhalten würde. Nicht, dass er schon merklich keuchte, aber er spürte doch, dass der Atem kürzer und flacher wurde und er in der rechten Seite ein leichtes Stechen bekam. Ein Herzinfarkt oder eine Blinddarmentzündung, beides konnte ihn jeden Moment überraschen, aber es kümmerte ihn nicht. Er musste das Schwein erwischen.
    Mit einem Mordstempo gewann es an Boden. Aaron kam es so vor, als führte das Borstenvieh ihn mit Vorsatz, lockte ihn immer weiter fort vom Bus, fort von der Straße, fort von seinen Mitreisenden; wie Moby Dick entführte es ihn in unbekanntes Terrain, in ein verborgenes Tal jenseits des Hügels. Wenn es wirklich das Ziel verfolgte, würde Aaron gewissermaßen zum Captain Ahab werden, besessen von seinem Vorhaben, aller Atemnot und allem Seitenstechen zum Trotz.
    Das Schwein verschwand um die Biegung zum östlich liegenden Hang, setzte über die Heide, vermied das Felsgestein. Aaron ihm hinterher, er nahm die Gerte in die linke Hand, um sich mit der rechten die Seite zu halten. Er brachte die Biegung hinter sich. Da, etwas weiter oben, mehr zum Gipfel hin, stand das Schwein. Unter befriedigtemGrunzen warf es mit der Schnauze Grassoden hoch. Aaron blieb stehen, stand und rang nach Luft. Der dumpfe Schmerz in der Seite war stechend geworden. Er ließ seine Gerte fallen, drehte sich um und machte kehrt, ging den gleichen Weg zurück, den er gekommen war. Er würde sich nicht weiter um das Schwein kümmern. Sollte es doch allein und verlassen an dem Hang da bleiben, sollte es sich doch, so gut es konnte, sein Futter suchen, sich die Annehmlichkeiten eines sauberen Schweinekobens versagen, ohne einen gutgefüllten Trog zurande kommen, nie mehr das Privileg genießen, zum Besitz einer heiter lachenden Frau mit blitzenden Augen gezählt zu werden.
    Aaron umwanderte den Hügel und begann den Abstieg. Von hier oben – ihm war gar nicht aufgegangen, wie hoch er geklettert war – konnte er nach Westen hinüber zu den abgegrenzten Weideflächen sehen, die sich den Hang hinaufzogen und die es wenig rührte, dass sie auf der Klippe endeten, die steil zum Meer abfiel. Die Stadt im Norden lag selbst im schräg fallenden Licht der untergehenden Sonne grau da, wobei die Häuser, eine Ansammlung von Stuck und Stein, sich offensichtlich lieber mit den Hügeln als mit den Klippen und dem Meer arrangierten. Am Horizont schien ein einsames Schiff jeden Moment von der Erdscheibe kippen zu wollen. Nicht ein einziges Fischerboot, auch kein
curragh
, das traditionelle Boot aus Flechtwerk, konnte man sehen. Seit langem schon waren die Küstengewässer überfischt. Der wuchtige Felsen auf Great Blasket Island, der Küste über eine Seemeile vorgelagert, ragte mitten in eine Wolke hinein, als hoffte er, in den Nebelschwaden eine Antwort auf sein hartes Dasein zu finden.
    Aaron beschleunigte sein Tempo, musste aber jeden Schritt abbremsen, um nicht auf dem steilen Abhang auszurutschen. Seine Tante Kitty würde schon warten, und Geduld war eine Eigenschaft, die man ihr nicht gerade nachsagen konnte. Zum Glück waren sie und Aaron, da esdie Besonderheiten der McClouds über die Generationen hinweg so ergeben hatten, fast gleich alt, Kitty die um zwei Jahre Ältere. In ihrer Kindheit hatten sie sich mehr als Cousin und Cousine gesehen, weniger als Tante und Neffe. Nur wenn sie sich stritten, würde Kitty ihre Vorrangstellung ins Spiel bringen – Aarons Großvater hatte sie hoch betagt gezeugt. Sie war die letzte krönende Befruchtung, die er in über dreißig
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher