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Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)
Autoren: Joseph Caldwell
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sich zu sorgen, ob ihre Schweinezucht nun nicht noch antiquierter wirkte. Würde die Lawine, die die Vergangenheit unter sich begrub, nicht auch ihre Unabhängigkeit auslöschen, deren Fahne über Mist und Gülle ihres geliebten Hofes flatterte? Würde diese widerborstig aufgepflanzte Standarte nicht wie ein schwacher Steckling ausgerissen werden, der mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden musste? Aaron hoffte inständig, dass es nicht so käme.
     
    Eine Siedlung aus den zuvor erwähnten Ferienhäusern kam hinter der Biegung der Straße in Sicht. Außerdem tat sich ein weiteres entnervendes Spektakel auf. Neben einem Feld links waren Baufahrzeuge und sonstige Gerätschaften aufgereiht. Sie standen auf der Straße, die einst die Grenze des Grundbesitzes der McClouds markiert hatte. Mit Teer vermischter Kies wurde auf das verbreiterte Straßenbett gespien, und eine elefantengroße Dampfwalze rückte langsam, fast feierlich, auf der frisch asphaltierten Strecke vor. Zwischen Wiese und Straße verlief ein Graben. Aarons erster Gedanke war, wenn Gott die Iren noch immer liebte, müsste Er das Gerät in den Graben kippen, ehe weitere Verunstaltungen in Angriff genommen wurden. Doch schon stieg in ihm eine aus Heimatliebe geborene Sympathie für die dort Tätigen auf. Er wünschte denen, die im Schweiße ihres sonnengebräunten Angesichts ihr täglich Brot (und Rinderbraten und Stout und Fisch und Gemüse und Obst und Tarts) verdienten, nichts Böses. Diese Männer hatten Jobs. Sollten sich andere über Straßenarbeiter beschweren, Aaron McCloud jedenfalls nicht.
    Das hinderte ihn aber nicht daran, seiner Frau zu sagen: »Wir müssen umkehren«, wobei er seine Erleichterung ob einer solchen Notwendigkeit nur schlecht verbergen konnte. »Wir können doch nicht auf die Straße fahren, auf der sie arbeiten.«
    »Unfug. Wir steigen aus und gehen quer übers Feld zur Klippe hoch.«
    »Und wie kommen wir über den Graben da links?«
    »Ein Graben ist doch wohl kein Hindernis!«
    »Der ist aber ziemlich breit, und Wasser ist auch drin.«
    »Wer nass wird, wird auch wieder trocken«, meinte Lolly mit dem Gleichmut, der die Iren von alters her hat überleben lassen. Sie hielt das Fahrzeug an, machte die Tür auf, schwang die Beine herum und ließ sich auf die Straße gleiten. Wie um dem Nachdruck zu verleihen, was sie eben gesagt hatte, warf sie die Tür zu, ging vorn um den Wagen herum und stieg die Böschung hinunter. »Uuch! Ganz schön glitschig. Wird dir Spaß machen.«
    Aaron war aus dem Laster gesprungen. »Wird mir bestimmt keinen Spaß machen!«
    »Na, wenn schon. Dann wird’s eben dem Graben Spaß machen, und das wär ja auch was.« Sie stapfte durch die moddrige Grabensohle und kletterte die gegenüberliegende Böschung hoch. An ihren Schweinehüterstiefeln, die sie selbst während der Romanschreibetage immer getragen hatte, klebte jetzt dicker schwarzer Schlamm, der vermuten ließ, dass unter der geheiligten Erde Kerrys Öl schlummerte. Sowie sie festen Boden unter den Füßen hatte, rief sie ihm zu: »Schau, der herrliche Ginster! Komm, riech mal!« Sie brach einen der stachligen Zweige ab und hielt ihn sich an die Nase. »Nun komm schon!«, drängte sie ihn und streckte ihm den blütenübersäten Zweig entgegen. »Es lohnt sich wirklich.«
    Aaron wollte seine Slipper nicht dreckig und erst recht nicht nass machen und hatte daher den Entschluss gefasst, einfach über den Graben zu springen. Der Sprung gelang auch, doch der feuchte Boden auf der anderen Seite würdigte seine athletische Leistung leider nicht. Kaum war er auf der durchweichten Böschung gelandet, rutschte erst sein linker, dann auch sein rechter Fuß hinab in den Modder, den er törichterweise hatte meiden wollen. Um ihn noch härter dafür zu betrafen, dass er sich geweigert hatte, zu tun, was der Graben verlangte, glitt er mit dem ganzen Körper den Abhang hinunter. Der Dreck haftete an seinem Hemd, den Hosen, den Händen und der Nasenspitze. Er hob den Kopf, doch seine Notlage rührte seine Frau herzlich wenig, siebückte sich nur, hielt ihm den Ginster unter die Schmuddelnase und sagte: »Riech doch nur! Herrlich, nicht wahr?«
    »Würdest du mir vielleicht mal hochhelfen?«
    »Ach, du brauchst Hilfe?
Ich
habe keine gebraucht.« Sie lächelte in Erwartung dessen, was kommen würde. »Aber selbstverständlich, wenn du mich brauchst …« Aaron reckte eine Hand hoch. »Oh, die ist ja ganz dreckig. Wisch sie erst mal an der Hose ab. Du erwartest doch
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