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Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwein sieht Gespenster: Roman (German Edition)
Autoren: Joseph Caldwell
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gestern gesehen, in Caherciveen, als ich die Brasse kaufte, die wir zum Abend verspeist haben.«
    »Wen?«
    »Declan.«
    Aaron hielt einen Moment die Luft an und sagte dann: »Lolly, du kannst Declan Tovey nicht in Caherciveen gesehen haben.«
    »Dann eben nicht. Ich hab ihn nicht gesehen. Ich war nicht in Caherciveen, wir haben die Brasse nicht gegessen. Wir sind auch nicht in Irland, wir leben in Mosambik.«
    »Du hast jemand gesehen, der wie Declan Tovey aussah.«
    »Es gibt keinen, der wie Declan Tovey aussieht.«
    »Es kommt oft genug vor, dass jemand wie ein anderer aussieht. Der Vorrat an Genen, die es auf der Welt gibt, ist nicht derart vielfältig, wie die Leute meist annehmen.«
    »Gene schaffen keine Narbe über dem linken Auge.«
    »Lolly, keine zehn Schritte von hier, wo wir jetzt stehen, haben wir Declan Toveys Skelett gefunden.«
    »Kann schon sein. Aber trotzdem hat er es gestern bis Caherciveen geschafft.«
    »Leibhaftig und richtig angezogen?«
    »Leibhaftig und richtig angezogen.«
    Aaron holte ein Taschentuch aus seiner Gesäßtasche und wischte sich, ohne es auseinanderzufalten, die Stirn. Er blickte drauf, suchte Schmutzspuren, vielleicht auch nur einen Hinweis, was er weiter sagen sollte. Er steckte das Taschentuch zurück. »Das hast du nun davon, wenn du ein Buch schreibst, in dem Geister vorkommen.«
    »In meinem Buch ist Declan gar nicht vorgekommen.«
    »Das nicht. Aber du hast von Geistern geschrieben, von wirklichen Geistern. Nicht von psychologisch bedingten Erscheinungen, auch nicht von Irrsinnigen, die sich zum Affen machen. Sondern von richtig lebenden Geistern.«
    »Dann war Declan gestern ein richtiger Geist.«
    »Wenn du gestern Declan gesehen hast, dann war das kein Geist. So was wie Geister gibt es überhaupt nicht. Tatsache ist, Declan ist tot. Seine Überreste, oder was davon noch da war, sind jetzt irgendwo draußen im Meer.«
    »Sei dem, wie es sei. Ich habe ihn jedenfalls gestern gesehen. Er muss es gewesen sein.«
    »Lolly, es gibt keine Geister, außer in Büchern.«
    »Und warum bist du so wild entschlossen, mir nicht zu glauben, egal was ich sage?«
    »Ich will dir doch nur helfen.«
    »Du denkst, ich sei vollends übergeschnappt, stimmt’s?«
    »Du hast ein Buch über Geister geschrieben und hast dich darin so verbissen, dass du nun manches davon selber durchlebst.«
    »Wenn es möglich wäre, dass ich meinen Roman selbst durchlebe, dann hätte ich ein Buch über eine Frau geschrieben, die einen Mann geheiratet hat, der ihr nie glaubt, wenn sie etwas sagt, was absolut wahr ist.«
    »Glaub mir, ich will dir bloß helfen.«
    »Dann glaube mir doch einfach.«
    »Lolly, du und Kitty, ihr beide habt das Gerippe gewaschen!«
    »Das weiß ich. Ich weiß aber auch, er ist wiedergekehrt.«
    »Er kann nicht wiedergekehrt sein.«
    »Wer sagt denn das?«
    »Shakespeare, zum Beispiel, sagt es. Hamlet sagt es. ›Das unerforschte Land, von dessen Grenzen kein Wandrer wiederkehrt.‹«
    »Na, so was! ›Kein Wandrer wiederkehrt.‹ Und was ist mit Hamlets Vater, der auf dem Burgwall erscheint und später im Schlafzimmer seiner Mutter? Dabei ist er doch tot, mausetot. Was sagst du dazu?«
    »Hier ist nicht der Ort für Shakespeare-Auslegungen.«
    »Natürlich nicht. Nicht, nachdem ich dich was gefragt habe, worauf du keine Antwort weißt.«
    »Also gut. Manchmal ist sogar Shakespeare inkonsequent. Henslowe, der Prinzipal, hat vermutlich rumgeschrien, wo bleibtdein Text? Sie brauchten ein neues Stück – und zwar schnell. Alle Stückeschreiber sind mitunter inkonsequent.«
    »Aber ich habe so etwas nicht bloß geschrieben. Ich erlebe es!«
    »Ich gebe mich geschlagen.«
    »Aha, du gibst dich geschlagen. Du weißt, ich habe recht und nicht du. Ich meine nicht das mit Shakespeare. Ich meine das mit Declan.«
    »All right! All right! Ich bin im Unrecht und du hast …«, er hielt inne.
    Lolly wartete darauf, was er noch sagen würde. Er sagte nichts, sondern starrte über Lollys Schulter in die Ferne, in den Nebel. Schaute stur geradeaus.
    »Was hast du?«, fragte sie.
    Wieder zog Aaron sein Taschentuch heraus, zerknautschte es diesmal in der Faust. »Ach nichts.«
    »Oh?«, Lolly drehte den Kopf und blickte über die Schulter. Eine dunkle Gestalt ging an den Klippenrand. Lolly atmete rasch ein, hielt die Luft an und stieß sie aus. Ganz heiser flüsterte sie: »Declan?« Rief dann laut den Namen: »Declan!« Aaron packte sie am Arm. Sie rief noch lauter: »Declan!« und versuchte sich
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