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Das Schweigen des Glücks

Das Schweigen des Glücks

Titel: Das Schweigen des Glücks
Autoren: Nicholas Sparks
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die Finger aneinander, seine Gedanken wurden wieder dumpf.
    »Ich weiß«, nahm Judy mit müder Stimme den Faden wieder auf, »du glaubst, du bist verantwortlich für den Tod deines Vaters. In all den Jahren habe ich versucht dir klarzumachen, dass es ein schrecklicher Unfall war. Du warst noch ein Kind. Du wusstest nicht, was passieren würde, genauso wenig wie ich. Aber sosehr ich mich auch bemüht habe, dir das zu erklären, für dich stand immer fest, dass du schuld warst. Deswegen hast du dich von der Welt abgesondert. Ich weiß nicht, warum… vielleicht glaubst du, dass du es nicht verdienst, glücklich zu sein; vielleicht hast du Angst, du würdest zugeben, dass du nicht schuld warst, wenn du dir gestattest, jemanden zu lieben,… vielleicht hast du Angst, deine eigene Familie im Stich zu lassen. Ich weiß nicht, was es ist, aber all diese Dinge stimmen nicht. Und ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll.«
    Taylor antwortete nicht und Judy seufzte, als sie erkannte, dass er schweigen würde.
    »Als ich dich diesen Sommer mit Kyle sah, weißt du, was ich da gedacht habe? Ich habe gedacht, wie sehr du deinem Vater gleichst. Er konnte immer gut mit Kindern umgehen, so wie du auch. Ich weiß noch, wie du ihm auf Schritt und Tritt gefolgt bist. Und wenn du zu ihm aufgesehen hast, musste ich jedes Mal lächeln. In deinem Blick lagen Ehrfurcht und Heldenverehrung. Ich hatte das vergessen, bis ich dich mit Kyle sah. Er hat dich mit dem gleichen Blick angesehen. Bestimmt vermisst du ihn.«
    Taylor nickte zögernd.
    »Liegt das daran, dass du ihm geben wolltest, was du in deiner Kindheit nicht haben konntest, oder liegt es daran, dass du ihn magst?«
    Taylor dachte über die Frage nach und antwortete dann. »Ich mag ihn. Er ist ein lieber Kerl.«
    Judy sah ihm in die Augen. »Vermisst du Denise auch?«
    Ja, ich vermisse sie sehr.
    Taylor rutschte verlegen hin und her.
    »Das ist vorbei, Mom«, sagte er.
    Sie zögerte. »Bist du sicher?«
    Taylor nickte und Judy beugte sich vor und legte ihren Kopf an seine Schulter.
    »Das ist sehr schade, Taylor«, flüsterte sie nach einer Weile. »Sie war die Richtige für dich.«
    Ein paar Minuten saßen sie schweigend nebeneinander, bis ein leichter Herbstschauer sie zum Gehen zwang. Taylor hielt Judys Autotür auf und sie setzte sich auf den Fahrersitz. Er drückte die Tür zu und legte die Hände gegen die Fensterscheibe, so dass er die kühlen Tropfen an seinen Fingerspitzen fühlte. Judy lächelte ihrem Sohn traurig zu, als sie losfuhr und ihn allein im Regen stehen ließ.
    Er hatte alles verloren.
    Das wurde ihm bewusst, als er den kurzen Weg vom Friedhof nach Hause zurücklegte. Er fuhr an alten Häusern im viktorianischen Stil vorbei, die in dem milden grauen Licht etwas traurig aussahen, auf der Straße standen knöcheltief die Pfützen und seine Scheibenwischer bewegten sich im regelmäßigen Rhythmus über die Scheiben. Er fuhr durch das Stadtzentrum, und als er an den Geschäften vorbeikam, die er seit seiner Kindheit kannte, wanderten seine Gedanken unwillkürlich zu Denise.
    Sie war die Richtige für dich.
    Er musste sich eingestehen, dass er auch nach Mitchs Tod nicht aufgehört hatte, an sie zu denken. Wie eine Erscheinung war ihr Bild immer wieder durch seinen Kopf gehuscht, aber er hatte es hartnäckig und entschlossen vertrieben. Doch das gelang ihm jetzt nicht mehr. Mit verblüffender Klarheit sah er wieder ihren Gesichtsausdruck, als er ihre Küchenschränke repariert hatte, er hörte ihr Lachen über die Veranda schallen, er konnte den schwachen Geruch des Shampoos in ihrem Haar riechen. Sie war bei ihm… und doch auch wieder nicht. Und sie würde nie wieder bei ihm sein. Diese Erkenntnis rief ein großes Gefühl der Leere in ihm hervor, schlimmer als je zuvor.
    Denise…
    Während er weiterfuhr, klangen die Erklärungen, die er sich – und auch ihr – gegeben hatte, hohl. Was war über ihn gekommen? Ja, er hatte sich zurückgezogen. Er hatte es geleugnet, aber Denise hatte Recht damit gehabt. Warum, fragte er sich, hatte er sich so verhalten? Aus den Gründen, die seine Mutter genannt hatte?
    Ich habe dir nicht beigebracht, wie wunderbar es ist, wenn man jemanden liebt und die Liebe erwidert wird…
    Taylor schüttelte den Kopf. Plötzlich zweifelte er jede Entscheidung an, die er je getroffen hatte. Hatte seine Mutter Recht? Wenn sein Vater nicht gestorben wäre, hätte er sich dann in all den Jahren auch so verhalten? Er dachte an Valerie und Lori:
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