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Das Schweigen der Tukane

Das Schweigen der Tukane

Titel: Das Schweigen der Tukane
Autoren: Anne Gold
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nie verstehen. Das ist nichts für mich. Früher ist man entweder miteinander gegangen oder eben nicht. Klare Verhältnisse, klare Linien, starke Gefühle. Mal himmelhoch jauchzend, mal zu Tode betrübt. Genau. Wir waren noch Helden. Aber das ist eine andere Geschichte.
    «Scheisse! Vielleicht solltest du mich von den Ermittlungen ausschliessen. Ich bin befangen.»
    «Unsinn! Koch weiss jetzt, was ihn erwartet, und das ist gut so. Was konntest du über Nora in Erfahrung bringen?»
    «Nicht besonders viel. Sie ist dreissig, ledig, ihre Tochter Julie ist acht Jahre alt. In Basel aufgewachsen, Lehre als kaufmännische Angestellte mit Abschluss 5,7 als Drittbeste ihres Jahrgangs. Danach arbeitete sie als Mitarbeiterin in einer Bank. Nach einem Jahr hat sie gekündigt. In einem offiziellen Register taucht sie erst wieder auf, als ihre Tochter zur Welt kommt. Wahrscheinlich hat sie ihre ersten Kunden bei der Hochfinanz angeworben. Bei den Banken geht ja die ganze Welt ein und aus. Mit der Polizei hatte sie nur ein einziges Mal zu tun. Sie reichte eine Anzeige gegen einen Robert Stolz ein.»
    Ferrari nickte.
    «Das scheint dich nicht zu überraschen. Kennst du diesen Stolz etwa?»
    «Eine schreckliche Figur. Robert Stolz junior, der degenerierte Spross von Andrea und Robert Stolz senior. Stolz ist Inhaber der Arcor AG, die Biogasanlagen herstellt. Die Familie gehört zur Hochfinanz, nicht aber zum Daig.»
    «Aha! Ein Neureicher, ein Emporkömmling!», äffte Nadine ihren Chef im breitesten Baseldeutsch nach.
    «Bleib lieber bei deinem Berndeutsch. In der Sache hast du allerdings recht. Stolz junior ist immer wieder in die Schlagzeilen geraten. Wilde Partys, Alkoholexzesse … und Belästigungen von Frauen. Die Familie richtete es dann jeweils auf diskrete Weise. Bisher ist er mit einem blauen Auge davongekommen. Er wohnt übrigens in einem schicken Haus am Rhein unweit vom St. Johanns-Tor.»
    «Woher weisst du das alles?»
    «Wir sind einmal aneinandergeraten. Er soll eine junge Frau betrunken in den Rhein geworfen haben. Sie ist nicht mehr aufgetaucht. Am nächsten Tag lud ich ihn zum Verhör vor», Ferrari schmunzelte.
    «Und dann?»
    «Das war kein Zuckerschlecken. Borer kann ein Lied davon singen. Stolz’ Vater ist mit einem Regiment von Anwälten angetanzt. Unser Herr Staatsanwalt wehrte sich wacker. Nach zwei Tagen ist die junge Frau plötzlich wieder zum Vorschein gekommen. Sie war eine ausgezeichnete Schwimmerin und hatte sich bei einer Freundin versteckt. Sie wollte Stolz junior Angst einjagen, mit Erfolg. Die achtundvierzig Stunden in Untersuchungshaft bewirkten, dass er sich zukünftig etwas zurückhielt.»
    «Bis auf die Anzeige von Nora.»
    Ferrari blätterte die Seite mit Nadines Notizen um. Keine weiteren Vorkommnisse. Nora ging anscheinend sehr diskret ihrer Tätigkeit nach. Musste sie auch, bei den hochkarätigen Kunden, die sich absolut keine Skandale leisten konnten.
    «Wir müssen Nora Schüpfer finden. Wo versteckt sie sich bloss und warum?»
    «Wenns einer weiss, dann Koch.»
    «Und der wird es uns nicht freiwillig verraten. Was sind jetzt unsere nächsten Schritte, Chef?»
    «Wir machen Feierabend. Morgen ist auch noch ein Tag. Kommst du zu uns? Es gibt Polenta und Saltimbocca alla romana.»
    «Nein, danke. Mir ist nicht nach Gesellschaft. Ich werde noch eine Runde joggen und es mir dann auf meinem Sofa gemütlich machen. Ein anderes Mal gern.»
    «Kein Problem», entgegnete Ferrari und verstaute die auf dem Tisch liegenden Akten in die oberste Schublade. Dabei fiel sein Blick auf die Lottoscheine. Entsetzt starrte er auf die Uhr, zu spät! Gerade heute, wo ich bestimmt gewonnen hätte.
    «Du gewinnst seit Jahren nichts, also wieso heute?»
    «Sag das nicht. Wenn ich mich beeile, reicht es vielleicht noch. Am Bahnhof gibt es mehrere Annahmestellen.»
    «Soll ich dich hinfahren?»
    Mit dem Porsche? Die Irre rast womöglich direkt in die Schalterhalle.
    «Na, was ist jetzt?»
    «Gern! Aber wir müssen Gas geben.»
    «Dass ich das aus deinem Mund einmal höre! Wow! Pack deine Scheinchen ein und in zwei Sekunden stehen wir am Kiosk. Und wehe, du …»
    Weiter kam Nadine nicht, denn ohne anzuklopfen, stürmten Noldi und Arthur Koch ins Büro.
    «Klopfen, meine Herren, anklopfen ist angesagt!»
    «Nadine … Francesco … Julie ist verschwunden!», stammelte Noldi verzweifelt.
    «Nicht verschwunden, Julie ist entführt worden!», Kochs Stimme überschlug sich.
    «Nun mal mit der Ruhe», versuchte Ferrari
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