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Das Schweigen der Schwaene

Das Schweigen der Schwaene

Titel: Das Schweigen der Schwaene
Autoren: Iris Johansen
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vergessen. Also müssen wir improvisieren.« Er verschwand im Bad und kam eine Minute später mit einem Stapel Papiertücher und zwei bestickten Handtüchern zurück. »Darf ich, Madam? « Er legte eins der Handtücher um Jills Hals und knotete es hinten zu.
    Jill kicherte.
    Nell versetzte es einen Stich, als sie sah, daß Jill die
    Aufmerksamkeit eines Fremden genoß. Dies war ihre Zeit mit ihrer Tochter, und er machte alles kaputt.
    »Danke, daß Sie mir beim Tragen des Tabletts behilflich gewesen sind, Mr. Tanek«, sagte sie förmlich. »Aber jetzt möchten Sie bestimmt auf die Party zurück.«
    »Möchte ich das? « Er wandte sich ihr zu, und sein Lächeln schwand. Dann nickte er langsam. »Ja, vielleicht sollte ich wieder nach unten gehen.« Abermals verbeugte er sich vor Jill.
    »Aber ich werde darauf warten, daß ich Ihr Tablett zurücktragen darf, Madame.«
    »Machen Sie sich keine Mühe«, sagte Nell. »Das Mädchen kann es morgen früh mitnehmen.«
    »Ich bestehe darauf. Ich warte einfach im Wohnzimmer. Rufen Sie mich, wenn Sie fertig sind.« Mit diesen Worten schlenderte er aus dem Schlafzimmer in den angrenzenden Raum.
    »Wer ist das? « flüsterte Jill mit einem Blick in Richtung der halboffenen Tür.
    »Nur ein Gast.« Es überraschte Nell, daß sich Tanek so schnell geschlagen gab. Nun, ganz aufgegeben hatte er nicht. Es war klar, daß er nicht wieder nach unten wollte, und offenbar hatte er sich ihre Suite als Zufluchtsort ausgesucht. Aber wem wich er wohl aus? Wahrscheinlich einer Frau. Er gehörte zu der Art von Männern, die ständig von Frauen gejagt wurden. Nun, solange er sich zurückhielt und ihr nicht bei ihrem Picknick in die Quere kam, war es ihr egal.
    »Ich mag ihn«, sagte Jill.
    Das bezweifelte Nell nicht. Tanek hatte es in wenigen Minuten geschafft, Jill das Gefühl zu geben, eine Kaiserin zu sein.
    Dann fiel der Blick der Kleinen auf den Kristallkelch, und sofort war Tanek vergessen. »Wein? «
    »Cha mpagner.« Nell nahm im Schneidersitz auf dem Boden Platz. »Wie du es dir gewünscht hast.«
    Jills Gesicht wurde von einem strahlenden Lächeln erhellt. »Du hast daran gedacht.«
    »Schließlich feiern wir ein Fest.« Sie reichte ihrer Tochter das Glas. »Einen Schluck.«
    Jill nahm einen großen Schluck und verzog das Gesicht. »Sauer.
    Aber warm und so schön blubberig.« Sie hob erneut das Glas.
    »Jean Marc sagt...«
    Nell entriß ihr den Kelch. »Genug.«
    »Also gut.« Jill griff nach dem Eclair. »Aber wenn wir ein Fest feiern, brauchen wir auch Musik.«
    »Stimmt.« Nell kroch zum Nachttisch, griff nach der Spieldose und zog sie auf. Dann stellte sie den Kasten auf die Decke und beobachtete zusammen mit ihrem Kind das auf dem Deckel tanzende Pandabärenpaar. »Das ist viel schöner als das Orchester, das unten spielt.«
    Jill schob sich näher an ihre Mutter heran, hob ihren Arm und schmiegte sich eng an ihre Brust. Als sie in das Törtchen biß, fielen ein paar Krümel auf Nells blaues Kleid, und Nell wußte, ehe ihre Tochter mit Essen fertig wäre, wären sie beide über und über mit Schokoladenglasur bedeckt.
    Es war ihr egal. Zur Hölle mit dem Kleid. Sie legte den Arm um den kleinen, warmen Körper ihrer Tochter. Augenblicke wie dieser waren selten und kostbar.
    Und vielleicht würden sie noch seltener.
    Nein, das ließe sie nicht zu. Richard irrte sich, und sie mußte ihn davon überzeugen, daß es für Jill wichtig war, mit ihrer Mutter zusammen zu sein.
    Aber was, wenn ihr das nicht gelang?
    Dann müßte sie gegen ihn kämpfen. Bei diesem Gedanken wallten Panik und Verzweiflung in ihr auf. Richard gab ihr immer das Gefühl, daß sie unvernünftig und grausam war, wenn sie ihm widersprach. Er war sich immer so sicher, und sie verspürte niemals etwas anderes als Unsicherheit.
    Außer wenn es darum ging, ihre Tochter aufzugeben, damit sie einer gesichtslosen Fremden ausgeliefert war.
    »Du zerquetschst mich«, sagte Jill.
    Nell lockerte ihre Umarmung, aber sie hielt Jill weiterhin dicht an sich gepreßt. »Tut mir leid.«
    »Schon gut.« Den Mund voller Eclair rieb sie sich großmütig an Nells Arm. »Hat nicht wehgetan.«
    Sie hatte keine Wahl. Irgendwie fände sie die Kraft, um gegen Richard zu bestehen.
    Er war umsonst gekommen, dachte Nicholas entnervt, während er auf die Brandung blickte, die unter ihm gegen die Felsen schlug. Es war unmöglich, daß irgendjemandem etwas an Nell Calders Ermordung lag. Und sicher hatte sie keine engere Beziehung zu Gardeaux als die
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