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Das Schweigen der Schwaene

Das Schweigen der Schwaene

Titel: Das Schweigen der Schwaene
Autoren: Iris Johansen
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bestimmt kein zweites Mal.« Sie küsste sie auf die Stirn. »Das verspreche ich dir.«
    Sie hatte bereits die Tür erreicht, als Jill ihr nachrief: »Denk an den Wein.«
    Lächelnd schloss Nell die Schlafzimmertür. Jill würde bestimmt niemals an Schüchternheit leiden, und auch an
    Durchsetzungsvermögen mangelte es ihr nicht.
    Nells Lächeln legte sich, als sie in den Flurspiegel sah. Nur ihre Tochter sah irgend etwas Prinzessinnengleiches in ihr. Sie war beinahe einen Meter siebzig groß, aber statt von stattlicher,
    erhabener Schönheit war sie unübersehbar plump. Plump und langweilig und schlicht wie Gras. Ihre Züge waren nichtssagend, und das einzig Auffällige an ihr war die Nase, die, statt in der langweiligen Gleichheit des Rests ihres Gesichts unterzugehen, keck nach oben wies. Selbst ihr kurzes braunes Haar war langweilig. Es hatte dieselbe helle Ahornfarbe wie Jills Schopf, doch ohne dessen kindlichen Glanz. Schlicht.
    Nun, Jill fand sie hübsch, und das war ihr genug. Nicht, daß Richard sie nicht ebenfalls als attraktiv ansah. Er hatte einmal gesagt, sie erinnere ihn an eine flauschige Steppdecke
    belastbar, traditionell und schön in ihrer Einfachheit. Sie rümpfte die Nase und ging eilig zur Tür. Wahrscheinlich gab es nicht eine Frau auf der Welt, die nicht lieber ein schimmerndes Seidenlaken gewesen wäre als eine solide Steppdecke für den Alltagsgebrauch. Aber schlichte Frauen hatten einen Vorteil.
    Niemandem fiel es je auf, ob sie da waren oder nicht. Sie käme nachher also bestimmt problemlos und unbemerkt mit Jills Picknick aus dem Ballsaal hier herauf.
    Sie stand am oberen Ende der Marmortreppe und blickte auf das Gedränge im Foyer.
    Musik.
    Der Duft von Blumen und teuren Parfüms.
    Gelächter und Konversation.
    Großer Gott, sie wollte dort nicht hin. Die hohen, mit Schnitzereien versehenen Türen zum Ballsaal standen sperrangelweit auf, und sie sah Richard, der in einer Ecke stand und sich mit einem großen, bärtigen Mann unterhielt. Kavinski?
    Wahrscheinlich ja. Martin, Sally und Nadine drängten sich ebenfalls um ihn, und Sally blickte geradezu schmachtend zu dem Unbekannten auf.
    Ihr Blick wanderte durch den Raum, und schließlich entdeckte sie im Schatten der Flügeltüren Madame Gueray. Elise Gueray war eine dünne Mittfünfzigerin, der die verzweifelte Hoffnung
    anzusehen war, daß möglichst niemand sie vor den weißen Samttapeten sah. Nell verspürte Mitleid mit ihr. Sie kannte das gefrorene Lächeln und den gehetzten Gesichtsausdruck, denn sie hatte ihn selbst oft genug im Spiegel gesehen.
    Sie ging die Treppe hinunter. Sollte Richard Kavinski umschmeicheln und den anderen wichtigen Gästen gegenüber seinen Charme versprühen. Ihm behilflich zu sein, indem sie das Elend dieser armen Frau linderte, war mehr nach ihrem Geschmack.
    »Mon dieu, der Kerl sollte eine Rose zwischen den Zähnen tragen«, murmelte Elise Gueray.
    »Was? « Nell legte ein Zitronentörtchen aufs Tablett. Sie hatte Jill ein Schokoladeneclair versprochen, aber auf dem ganzen Buffettisch war keins zu sehen.
    »Sie wissen schon, wie dieser Schwarzenegger in dem Film, in dem er den Spion spielt, der alles, nur nicht fliegen kann.«
    Sie erinnerte ich vage an den Film und an den riesigen Schwarzenegger, wie er, eine Rose zwischen den Zähnen, einen eleganten Tango schob. »True Lies? «
    Elise zuckte mit den Schultern. »Ich erinnere mich nie an Titel, aber Schwarzenegger vergißt man nicht so leicht.« Sie nickte in Richtung von jemandem, der am anderen Ende des Raumes stand. »Genauso wenig wie den da. Wissen Sie, wer das ist? «
    Nell blickte über ihre Schulter. Der Mann, den Elise meinte, hatte weder Schwarzeneggers Größe noch seine Statur, aber sie verstand, worum es Elise ging. Dunkelhaarig, Mitte Dreißig, mit einem Gesicht, das eher eindrucksvoll als schön zu nennen war, und vor allem von offenbar unerschütterlichem Selbstvertrauen.
    Er geriet bestimmt niemals in eine Situation, die ihn in irgendeiner Weise überforderte. Kein Wunder, daß Elise fasziniert von ihm war. Für Menschen wie sie und Nell war eine derartige Selbstsicherheit ebenso unerreichbar wie  verführerisch. »Ich habe ihn noch nie gesehen. Vielleicht gehört er Kavinskis Gefolge an.«
    Elise schüttelte den Kopf, und sie hatte recht, dachte Nell.
    Dieser Fremde gehörte niemals dem Gefolge eines anderen an.
    »Haben Sie einen solchen Appetit? « Elises Blick fiel auf Nells Tablett, woraufhin diese heftig errötete.
    »Nein, ich
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