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Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)

Titel: Das Schweigen der Miss Keene (German Edition)
Autoren: Julie Klassen
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vorbei, der eine trug etwas Rundes, Weißes zwischen die Kiefer geklemmt. War das der Kopf eines Schafes?
    Der erste Hund drehte sich um und jagte den anderen beiden nach, gerade als Olivias Finger sich um einen dicken Stock legten. Sie umklammerte ihn fest und wünschte für einen Moment, sie hätte noch den Feuerhaken in der Hand. Von Ekel geschüttelt schob Olivia die Erinnerung an sein kaltes, hartes Gewicht beiseite. Sie lauschte einige angespannte Sekunden lang. Als sie nichts weiter hörte, erhob sie sich, den Stock noch immer fest in der Hand, und hastete durch den Wald, in der Hoffnung, dass die Hunde ihrer Fährte nicht folgen würden.
    Der Mond stand hoch über den Baumwipfeln, als sie es bemerkte: das Licht eines Feuers vor ihr. Erleichterung . Wilde Tiere fürchteten sich vor Feuer, oder nicht? Vorsichtig bewegte sie sich näher heran. Sie hatte nicht die Absicht, sich denjenigen anzuschließen, die dort lagerten, wer auch immer das sein mochte – vielleicht eine Zigeunerfamilie oder die Jagdtruppe eines Gentlemans. Selbst wenn die Gerüchte über Diebe und Wilderer nur dummes Geschwätz wären, würde sie es nicht riskieren, auf sich aufmerksam zu machen. Aber sie sehnte sich nach der Sicherheit, die dieses Feuer verkörperte. Sie sehnte sich auch nach seiner Wärme, denn die nächtliche Novemberluft kroch unbarmherzig durch ihren Umhang und ihr Kleid. Wenn vielleicht eine andere Frau anwesend wäre, könnte Olivia fragen, ob sie sich wärmen dürfte. Sie wagte sich noch ein klein wenig näher heran, stellte sich an einen Baum und spähte dahinter hervor. Sie sah eine vom Feuer erhellte Lichtung und vier Gestalten, die entspannt wirkten und sich in unterschiedlichen Stellungen um die Flammen drängten. Sie konnte hören, wie Männer miteinander redeten und scherzten.
    »Wieder Eichhörnchen, Garbie?«, erkundigte sich eine raue Stimme.
    »Außer Croome kommt mit weiterer Jagdbeute zurück.«
    »Um diese Nachtzeit? Unwahrscheinlich.«
    »Wahrscheinlicher ist, dass er betrunken im Braunen Hund liegt und seinen Kopf auf Mollys weichen Kissen bettet.«
    »Croome doch nicht«, sagte ein anderer. »Der ist so mönchisch wie sonst niemand.«
    Gelächter ertönte.
    Jeder Instinkt riet Olivia zur Flucht, während sie dort wie angewurzelt stand. Dies war weder eine Familie noch eine Gruppe von Gentlemen. Die Angst kroch ihr den Rücken hoch, als sie sich umwandte und sich einen Schritt vom Baum entfernte.
    »Was war das?«
    Das laute Flüstern eines jungen Mannes stoppte Olivias Rückzug. Aus Furcht, ein weiteres Geräusch zu verursachen, blieb sie reglos stehen.
    »Was war was? Ich hör nix.«
    »Vielleicht ist es Croome.«
    Olivia machte einen vorsichtigen Schritt. Dann einen weiteren. Ein klebriges Spinnennetz legte sich auf ihr Gesicht. Sie erschrak und stolperte über einen Ast zu Boden.
    Bevor sie sich aufrichten konnte, war sie vom Geräusch nahender Schritte umgeben, und das grelle Licht einer Laterne blendete sie.
    »Na, wenn das heute nicht mein Glückstag ist!«, stieß ein junger Mann hervor.
    Mühsam kam Olivia wieder zum Stehen und schüttelte ihre Röcke glatt. Sie strich sich die losen Haare aus dem Gesicht und versuchte, ruhig zu bleiben.
    »Croome ist um einiges hübscher geworden, seit wir ihn das letzte Mal gesehen haben«, bemerkte ein zweiter junger Mann.
    Hinter ihm blickte ein bärtiger Koloss finster auf sie herab. Mit der harten, rauen Stimme, die sie als Erstes gehört hatte, fuhr er sie an: »Was machst du hier?«
    Panik machte sich in ihr breit. »Nichts, gar nichts! Ich habe Ihr Feuer gesehen und ich –«
    »Du bist wohl auf der Suche nach Gesellschaft, was?« Das anzügliche Grinsen des großen Mannes ließ sie bis ins Mark erzittern. »Na gut, da bist du am richtigen Fleck – oder stimmt’s etwa nicht, Jungs?«
    »Klar doch«, stimmte ein anderer zu.
    Der große Mann streckte die Hand nach ihr aus, aber Olivia zuckte zurück. »Nein, Sie missverstehen mich«, erklärte sie. »Ich habe mich einfach nur verirrt. Ich will nicht –«
    »Ach, aber wir wollen.« Seine glänzenden Augen hatten große Ähnlichkeit mit denen des Wildhundes.
    Der stabile Stock, den sie mit sich getragen hatte, lag auf dem Boden, wo er bei ihrem Sturz gelandet war. Mit einer schnellen Bewegung wollte sie ihn aufheben, doch ein Mann packte sie von hinten. »Wo willst du hin? So schnell wirst du uns nicht verlassen, darauf kannst du wetten.«
    Olivia schrie auf, aber es gelang ihr, die Hand um den Stock zu
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