Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schweigen der Laemmer

Das Schweigen der Laemmer

Titel: Das Schweigen der Laemmer
Autoren: Thomas Harris
Vom Netzwerk:
dicht bei ihr im engen Korridor. Nun in den Arbeitsraum hinaus. Spüren, wie der Raum sich öffnet. Offener Raum. In der Hocke in den offenen Raum, Arme vor, beide Hände am Revolver. Du weißt genau, wo der Revolver ist, er ist direkt unter Augenhöhe. Halt, horch. Kopf, Körper und Arme drehen sich zusammen wie ein Turm. Halt, horch.
    In völligem Schwarz das Zischen der Dampfrohre, Wassertröpfeln.
    Der Geruch der Ziege stark in ihren Nasenlöchern.
    Catherine am Jammern.
    An die Wand gelehnt stand Mr. Gumb mit seiner Schutzbrille auf. Es bestand keine Gefahr, daß sie mit ihm zusammenstoßen würde - zwischen ihnen war ein Tisch mit Ausrüstungsgegen-ständen. Er ließ den Strahl seiner Infrarotlampe an ihr hinauf und hinunter spielen. Sie war zu schlank, um für ihn von großem Nutzen zu sein. Aus der Küche erinnerte er sich jedoch an ihr Haar, und es war prächtig, und das würde nur eine Minute dauern. Er konnte es einfach abstreifen. Es sich selbst anlegen. Er konnte sich mit dem Haar über den Brunnen lehnen und zu diesem Ding
    »Überraschung!« sagen.
    Es machte Spaß, zu beobachten, wie sie sich entlangzuschlei-chen versuchte. Sie hatte die Hüfte nun am Spülbecken, kroch mit ihrem ausgestreckten Revolver auf die Schreie zu. Es hätte Spaß gemacht, sie lange zu jagen - nie zuvor hatte er eine mit einer Waffe gejagt. Er hätte es voll und ganz genossen. Keine Zeit dafür.
    Schade.
    Ein Schuß ins Gesicht wäre bei zwei Meter vierzig prima und einfach. Jetzt.
    Er spannte den Colt Python, als er ihn schnickschnick hoch-brachte, und die Gestalt wurde undeutlich, blühte, blühte grün in seinem Blickfeld, und sein Revolver bäumte sich in seiner Hand auf, und der Boden traf ihn hart im Rücken, und seine Lampe war an, und er sah die Decke. Starling auf dem Boden, durch den Blitz geblendet, klingende Ohren, taub durch die Explosion der Revolver. Sie arbeitete im Dunkeln, während keiner hören konnte, die leeren Patronen entladen, den Revolver kippen, fühlen, um zu sehen, ob sie alle draußen sind, rein mit dem Schnellader, fühlen, nach unten kippen, drehen, fallen lassen, die Trommel schließen.
    Sie hatte vier abgefeuert. Zwei Schuß und zwei Schuß. Er hatte einmal gefeuert. Sie fand die zwei guten Patronen, die sie entla -
    den hatte. Sie wohin tun? In die Tasche des Schneiladers. Sie lag still. Sich bewegen, bevor er hören kann?
    Das Geräusch eines Revolvers, der gespannt wird, ist wie kein anderes. Sie hatte auf das Geräusch geschossen, nichts außer den großen Mündungsfeuern der Revolver gesehen. Sie hoffte, daß er nun in die falsche Richtung schießen, ihr das Mündungsfeuer als Ziel geben würde. Allmählich konnte sie wieder hören, ihr klangen noch die Ohren, doch sie konnte hören.
    Was war das Geräusch? Pfeifen? Wie ein Teekessel, aber unterbrochen. Was war es? Wie Atmen. Bin ich das? Nein. Ihr Atern stieg vom Boden zurück, zurück in ihr Gesicht. Vorsichtig, nicht den Staub einatmen, nicht niesen. Es ist Atmen. Es ist eine sau-gende Brustwunde. Er ist in die Brust getroffen. Man hatte ihr beigebracht, wie man eine schließt, etwas darüberlegt, einen Regenmantel, eine Plastiktüte, etwas Luftdichtes, es gut festzurren. Die Lunge wieder aufblasen. Sie hatte ihn also in die Brust getroffen.
    Was tun? Warten. Laß ihn steif werden und bluten. Warten.
    Starlings Wange brannte. Sie berührte sie nicht, wenn sie blu-tete, wollte sie die Hände nicht glitschig haben.
    Vom Brunnen ertönte erneut das Stöhnen, Catherine am Reden, Weinen. Starling mußte warten. Sie konnte Catherine nicht antworten. Sie konnte nichts sagen, sich nicht bewegen.
    Mr. Gumbs unsichtbares Licht spielte an der Decke. Er versuchte es zu bewegen, und er konnte es nicht, genausowenig, wie er den Kopf bewegen konnte. Ein großer malaysischer Falter, der dicht an der Decke vorbeiflog, nahm das Infrarotlicht auf und kam herunter, kreiste, ließ sich auf dem Licht nieder. Die pulsierenden Schatten seiner Flügel, riesengroß an der Decke, waren nur für Mr. Gumb sichtbar.
    Über dem Saugen in der Dunkelheit hörte Starling Mr. Gumbs gräßliche Stimme, würgend: »Was... für... ein Gefühl... ist es... so schön... zu sein?«
    Und dann ein anderes Geräusch. Ein Gurgeln, ein Rasseln, und das Pfeifen hörte auf.
    Starling kannte auch dieses Geräusch. Sie hatte es schon einmal gehört, im Krankenhaus, als ihr Vater starb.
    Sie tastete nach der Kante des Tischs und erhob sich. Sich wei-tertastend, auf die Geräusche von
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher