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Das Schweigen der Laemmer

Das Schweigen der Laemmer

Titel: Das Schweigen der Laemmer
Autoren: Thomas Harris
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für Gerichtsmedizin qualifizieren mußte. So konnte ich im Labor arbeiten, bis es auf der Akademie eine freie Stelle gab.«
    »Sie haben mir doch geschrieben, daß Sie hierher kommen wollten, und ich glaube nicht, geantwortet zu haben - ich weiß, ich hab's nicht getan. Hätte ich aber machen sollen.«
    »Sie haben genug anderes um die Ohren.«
    »Wissen Sie über VI-CAP Bescheid?«
    »Ich weiß, daß es sich dabei um das Violent-Criminal-Appre-hension-Programm handelt, das Verhaftungsprogramm für Ge-waltverbrechen. Im Law Enforcement Bulletin heißt es, daß Sie an einer Datenbank arbeiten, aber noch nicht einsatzfähig sind.«
    Crawford nickte. »Wir haben einen Fragebogen entwickelt. Er läßt sich auf die ganzen bekannten Serientäter der Neuzeit anwenden.« Er reichte ihr ein dickes Bündel Papiere in einem dünnen Einband. »Es gibt einen Abschnitt für Ermittler und einen für überlebende Opfer, falls vorhanden. Der blaue Teil ist für den Mörder zum Beantworten, sofern er will, und der rosafarbene besteht aus einer Reihe von Fragen, die ein Prüfer dem Mörder stellt, um so seine Reaktionen wie auch seine Antworten zu registrieren.
    Es ist eine Menge Schreibkram.«
    Schreibkram. Clarice Starlings Eigennutz schnüffelte vorwärts wie ein eifriger Beagle. Sie roch ein Jobangebot - wahrscheinlich die stumpfsinnige Plackerei, unaufbereitete Daten in ein neues Computersystem einzugeben. Es war verlockend, in was für einer Stellung auch immer in die Abteilung für Verhaltensforschung hineinzukommen. Doch sie wußte, was mit einer Frau passiert, die erst einmal als Sekretärin abgestempelt ist - es haftet ihr bis in alle Ewigkeit an. Eine Wahl bahnte sich an, und sie wollte gut wählen.
    Crawford wartete auf etwas - er mußte ihr eine Frage gestellt haben. Starling mußte ihr Gehirn durchforsten, um sich an sie zu erinnern:
    »Was für Tests haben Sie vorgelegt? Jemals den Minnesota Mul-tiphasic gemacht? Oder Rorschach?«
    »MMPI ja, Rorschach nie«, entgegnete sie. »Ich habe Thematische Apperzeption gemacht und mit Kindern das Bender-Programm geübt.«
    »Erschrecken Sie leicht, Starling?«
    »Noch nicht.«
    »Sehen Sie, wir haben versucht, alle zweiunddreißig bekannten Serientäter, die wir in Untersuchungshaft haben, zu befragen und zu untersuchen, um eine Datenbank für psychologische Dia -
    gramme in ungelösten Fällen zu erhalten. Die meisten haben mit-gemacht- sie werden wohl angetrieben, sich zu produzieren, sehr viele von ihnen. Siebenundzwanzig waren zur Mitarbeit bereit.
    Verständlicherweise haben vier aus dem Todestrakt, deren Gesu-che um Berufung noch in der Schwebe sind, den Mund nicht aufgemacht. Den jedoch, hinter dem wir am meisten her sind, haben wir nicht kriegen können. Ich möchte, daß Sie sich morgen in der Anstalt um ihn bemühen.«
    Clarice Starling spürte ein frohes Pochen in der Brust und auch eine gewisse Besorgnis.
    »Wer ist der Betreffende?«
    »Der Psychiater - Dr. Hannibal Lecter«, antwortete Crawford.
    Bei jeder zivilisierten Zusammenkunft folgte auf den Namen stets eine kurze Stille.
    Starling sah Crawford unverwandt an, doch auch sie schwieg.
    »Hannibal der Kannibale«, sagte sie.
    »Ja.«
    »Ja, nun - okay, gut. Ich freue mich über die Chance, aber ich frage Sie - warum ich?«
    »Hauptsächlich deshalb, weil Sie verfügbar sind«, erwiderte Crawford. »Ich erwarte nicht, daß er behilflich ist. Er hat bereits abgelehnt. Aber das war durch einen Mittelsmann - den Leiter der Anstalt. Ich muß sagen können, daß unser qualifizierter Prüfer ihn aufgesucht und ihn persönlich befragt hat. Es gibt Gründe, die für Sie nicht von Belang sind. Mir bleibt in dieser Abteilung keiner mehr, den ich dafür abstellen kann.« »Sie stecken in der Klemme - Buffalo Bill - und die Sachen in Nevada«, sagte Starling.
    »Sie haben's erfaßt. Es ist die alte Leier- nicht genügend frische Leichen.«
    »Sie sagten, morgen - Sie haben es eilig. Irgendein Zusammenhang mit einem aktuellen Fall?«
    »Nein. Wenn es den bloß gäbe.«
    »Wenn er sich vor mir drückt, wollen Sie dann trotzdem noch ein psychologisches Gutachten?«
    »Nein. Ich stecke bis zur Hüfte in Gutachten, die Dr. Lecter als unzugänglichen Patienten ausweisen, und sie sind alle unter-schiedlich.«
    Crawford schüttelte sich zwei Vitamin-C-Tabletten in die Handfläche und mixte sich ein Alka-Seltzer am Wasserkühler, um sie hinunterzuspülen. »Es ist lächerlich, wissen Sie; Lecter ist Psychiater, und er schreibt selbst
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