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Das Schweigen der Laemmer

Das Schweigen der Laemmer

Titel: Das Schweigen der Laemmer
Autoren: Thomas Harris
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in Baltimore? Wissen Sie, Sie können sich hier genausogut amüsieren wie in Washington oder New York, wenn Sie die Stadt kennen.«
    Sie schaute weg, um sich sein Lächeln zu ersparen, und wußte sofort, daß er ihre Abneigung registriert hatte. »Es ist bestimmt eine großartige Stadt, aber meine Anordnungen lauten, Dr. Lecter zu besuchen und noch heute nachmittag Bericht zu erstatten.«
    »Könnte ich Sie irgendwo in Washington für ein Weiterverfol-gen der Sache telefonisch erreichen, später?«
    »Natürlich. Es ist nett von Ihnen, daran zu denken, Spedal Agent Jack Crawford führt die Aufsicht über dieses Projekt, und Sie können mich stets durch ihn erreichen.«
    »Ich verstehe«, sagte Chilton. Seine rosagefleckten Wangen harmonierten nicht mit dem unwahrscheinlichen Rotbraun seiner Haarkappe. »Geben Sie mir bitte Ihren Ausweis.« Er ließ sie wäh- rend der gemächlichen Überprüfung ihres Ausweises stehen.
    Dann gab er ihn ihr zurück und erhob sich. »Dies wird nicht lange dauern. Kommen Sie.«
    »Ich nahm an, Sie würden mir genaue Anweisungen geben, Dr.
    Chilton«, sagte Starling.
    »Das kann ich tun, während wir auf dem Weg sind.« Auf seine Armbanduhr schauend kam er um seinen Schreibtisch herum.
    »Ich muß in einer halben Stunde zu einem Lunch.«
    Verdammt, sie hätte ihn besser, schneller durchschauen sollen. Er war möglicherweise kein völliger Trottel. Er wußte vielleicht etwas Zweckdienliches. Sie hätte sich keinen abgebrochen, einmal geziert zu lächeln, auch wenn sie darin nicht gut war.
    »Dr. Chilton, ich habe jetzt mit Ihnen einen Termin. Er wurde nach Ihrem Belieben festgesetzt, wenn Sie mir etwas Zeit widmen konnten. Während des Interviews könnten Dinge zur Sprache kommen - unter Umständen muß ich einige seiner Antworten mit Ihnen durchgehen.«
    »Das bezweifle ich wirklich, wirklich. Oh, ich muß telefonieren, bevor wir gehen. Ich treffe Sie dann im Außenbüro.«
    »Ich würde gern meinen Mantel und Schirm hier lassen.«
    »Da draußen«, sagte Chilton. »Geben Sie es Alan im Außen-büro. Er wird es wegpacken.«
    Alan trug das an die Insassen ausgegebene schlafanzugähnliche Gewand. Mit dem Zipfel seines Hemds wischte er gerade Aschenbecher aus.
    Er rollte die Zunge in der Wange herum, als er Starlings Mantel nahm.
    »Danke«, sagte sie.
    »Aber bitte, nur zu. Wie oft scheißen Sie?« fragte Alan.
    »Was haben Sie gesagt?«
    »Kommt es la -a-a-a-ang heraus?«
    »Ich häng' meine Sachen schon selbst irgendwo auf.«
    »Man hat nichts im Weg - man kann sich vornüber beugen und zusehen, wie's herauskommt, und schauen, ob es die Farbe wechselt, wenn es an die Luft kommt, machen Sie das? Sieht es aus, als hätten Sie einen großen braunen Schwanz?«
    »Dr. Chilton will Sie in seinem Büro sehen, und zwar sofort«, sagte Starling. »Nein, will ich nicht«, sagte Dr. Chilton. »Häng den Mantel in den Schrank, Alan, und hol ihn nicht heraus, während wir weg sind. Mach schon. Ich hatte eine Ganztagstippse, aber die Kürzun-gen haben sie mir genommen. Jetzt tippt das Mädchen, das Sie hereingelassen hat, hier täglich drei Stunden, und dann habe ich Alan. Wo sind die ganzen Bürogehilfinnen, Miss Starling?« Seine Brille funkelte sie an. »Sind Sie bewaffnet?«
    »Nein, ich bin nicht bewaffnet.«
    »Darf ich Ihre Hand- und Ihre Aktentasche sehen?«
    »Sie haben meine Ausweispapiere gesehen.«
    »Und darin steht, daß Sie Studentin sind. Lassen Sie mich bitte Ihre Sachen sehen.«
    Clarice Starling fuhr zusammen, als das erste der schweren Stahltore rasselnd hinter ihr zufiel und der Riegel einschnappte.
    Chilton ging etwas voraus, den grünen Anstaltskorridor entlang in einer Atmosphäre aus Desinfektionsmittel und fernem Türenknallen.
    Starling ärgerte sich über sich selbst, daß sie Chilton erlaubt hatte, ihre Hand- und Aktentasche zu durchwühlen, und sie mußte sich schwer am Riemen reißen, damit sie sich konzentrieren konnte. Es war in Ordnung. Sie spürte ihre Kontrolle fest unter sich, wie einen guten Kiesgrund in einer schnellen Strö-
    mung.
    »Lecter ist eine beträchtliche Plage«, sagte Chilton über die Schulter. »Ein Krankenpfleger braucht mindestens zehn Minuten täglich zum Entfernen der Drahtösen aus den Monatsschriften, die er erhält. Wir haben versucht, seine Abonnements abzubestel-len oder zu reduzieren, doch er verfaßte einen Schriftsatz, und das Gericht überstimmte uns. Früher war der Umfang seiner Privat-post enorm. Sie hat Gott sei Dank nachgelassen,
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