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Das schwarze Manifest

Das schwarze Manifest

Titel: Das schwarze Manifest
Autoren: Frederick Forsyth
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Charterfahrt hatte einen ganzen Tag gedauert und war erfolgreich gewesen.
    Während Julius die Verstärkungen mit den grellbunten Plastikködern ordentlich kreisförmig aufschoß, um sie in den Gerätekasten zurücklegen zu können, riß das amerikanische Ehepaar zwei Bierdosen auf und saß zufrieden unter dem Sonnensegel, um seinen Durst zu löschen.
    Im Fischbehälter befanden sich zwei riesige Thunfische mit jeweils knapp zwanzig Kilogramm und ein halbes Dutzend großer Dornwelse, die vor einigen Stunden noch unter einem jetzt zehn Meilen entfernten Seegrasfeld gelauert hatten.
    Der Skipper auf der Kommandobrücke überprüfte seinen Kurs und schob dann die Leistungshebel nach vorn, um das Boot aus der fürs Schleppangeln richtigen Fahrt auf hohe Reisefahrt zu bringen. Seiner Berechnung nach würden sie in weniger als einer Stunde in Turtle Cove einlaufen.
    Die
Foxy Lady
schien zu wissen, daß ihre Tagesarbeit fast getan war und ihr Liegeplatz in dem geschützten Hafen am Kai gegenüber der Tiki Hut auf sie wartete. Sie reckte ihren Bug hoch, senkte ihr Heck tiefer ins blaue Wasser und nahm mit weißer Hecksee rasch Fahrt auf. Julius warf seine Pütz ins vorbeiströmende Wasser und spülte das Achterdeck erneut ab.
    Als Schirinowski Vorsitzender der »Liberaldemokraten« gewesen war, hatte die Parteizentrale sich in einem heruntergekommenen Gebäude in der von der Sretenkastraße abzweigenden Fischgasse befunden. Besucher, die nicht mit den Eigenarten von »Wlad dem Verrückten« vertraut waren, hatten verwundert festgestellt, wie schäbig sie war. Der Verputz bröckelte ab, hinter den Fenstern hingen zwei von Fliegen verdreckte Plakate des Demagogen, und die Fußböden hatten seit einem Jahrzehnt keinen nassen Mop mehr gesehen. Hinter der abgestoßenen schwarzen Tür fanden Besucher eine düstere Eingangshalle mit einem Stand, an dem T-Shirts mit dem Porträt des Parteichefs auf der Brust verkauft wurden, und fahrbaren Kleiderständern mit den vorschriftsmäßigen schwarzen Lederjacken, die seine Anhänger trugen.
    Oben an der Treppe, die trübselig braun gestrichen und ohne Läufer war, befand sich auf dem ersten Absatz ein vergittertes Fenster, an dem ein mürrischer Wachmann sich nach dem Anliegen des Besuchers erkundigte. Nur wenn diese Frage zufriedenstellend beantwortet wurde, durfte der Besucher zu den schäbigen Räumen hinaufsteigen, in denen Schirinowski hofhielt. Harte Rockmusik dröhnte durchs ganze Gebäude. Diese Aufmachung hatte der exzentrische Faschist für die Parteizentrale vorgezogen, weil sie sein Image förderte, er sei keiner der Bonzen, sondern ein einfacher Mann aus dem Volk. Aber Schirinowski war längst nicht mehr hier, und seine Liberaldemokratische Partei war mit den anderen ultrarechten und neofaschistischen Parteien zur Union Patriotischer Kräfte vereinigt worden.
    Ihr unangefochtener Führer war Igor Komarow, ein Mann ganz anderen Kalibers. Obwohl er sein Privatbüro anderswo hatte, behielt er das Gebäude in der Fischgasse, weil er die prinzipielle Logik einsah, daß man den Armen und Entrechteten, um deren Stimmen er warb, zeigen müsse, daß die Union Patriotischer Kräfte sich keine teuren Extravaganzen leiste.
    Nach seinem Ingenieurstudium hatte Komarow unter den Kommunisten, aber nicht für sie gearbeitet, bis er zur Halbzeit der Jelzin-Periode beschlossen hatte, Politiker zu werden. Er hatte sich für die Liberaldemokratische Partei entschieden, und obwohl er Schirinowski wegen seiner Trunkenheitsexzesse und ständigen sexuellen Anspielungen insgeheim verachtete, hatte seine unauffällige Arbeit im Hintergrund ihn ins Politbüro, in den innersten Parteirat gebracht. Von dort aus hatte er bei zahlreichen Geheimtreffen mit den Führern anderer rechtsradikaler Parteien die Bündelung der gesamten Rechten in der UPK betrieben. Schirinowski wurde vor vollendete Tatsachen gestellt, akzeptierte widerstrebend die Existenz der Union Patriotischer Kräfte und ging in die Falle, bei ihrer ersten Vollversammlung den Vorsitz zu übernehmen.
    Diese Vollversammlung verabschiedete eine Entschließung, die seinen Rücktritt forderte, und schickte ihn in die Wüste. Komarow weigerte sich, den Vorsitz zu übernehmen, sorgte jedoch dafür, daß er an eine Null, an einen Mann ohne Charisma und mit wenig Organisationstalent ging. Ein Jahr später war es dann eine Kleinigkeit, das Gefühl der Enttäuschung im Vorstand der UPK auszunutzen, den Lückenbüßer zu verdrängen und selbst die Führung
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