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Das schwarze Buch der Geheimnisse (German Edition)

Das schwarze Buch der Geheimnisse (German Edition)

Titel: Das schwarze Buch der Geheimnisse (German Edition)
Autoren: F.E. Higgins
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meine Sprache wiederfand. »Wer hat sie hierhergebracht?«
    »Ich«, sagte Joe. »Und andere natürlich. Du siehst hier die Geständnisse aus Jahrhunderten, Ludlow. Mein Lebenswerk und das Werk jedes anderen Geheimnis-Pfandleihers, den es je gab.«
    »Aber ich dachte … Ihr meint, Ihr seid nicht der einzige?«
    Joe lächelte. »Ich hoffe, du bist nicht enttäuscht«, sagte er. »Aber es hat schon viele gegeben, und es wird noch viele geben. Zurzeit habe ich die Ehre. Freilich kann ich nicht ewig weitermachen. Ich bin ein Mensch, egal was du von mir denken magst. Auch ich werde eines Tages wieder zu Staub.«
    Plötzlich wurde ich nervös. Meine Stimme zitterte, meine Knie wurden weich, aber ich musste einfach fragen: »Hierher seid Ihr damals gegangen, oder? Als Ihr für ein paar Tage aus Pagus Parvus fort wart?«
    Joe nickte. »Das ist etwas, das ich immer wieder tun muss. Denn ich bin zum Teil für diesen Ort verantwortlich. In gewisser Hinsicht ist dieser Saal mein einziges Zuhause.«
    »Und warum habt Ihr mich hierhergebracht?«
    »Weil es auch dein Zuhause werden könnte. Du wirst bald eine Entscheidung treffen müssen, und falls sie so ausfällt, wie ich es mir denke, musst du das alles wissen. Komm mit, ich möchte dir jemanden vorstellen.«
    Während ich ihm folgte, drehte ich ständig den Kopf nach links und nach rechts, zur Decke und zum Boden, um mehr zu sehen, um alles in mich aufzunehmen und im Gedächtnis zubewahren. Zwischen den Säulen hindurch gingen wir zum anderen Ende der Halle, wo ein großer, dunkler Schreibtisch mit wuchtigen, kunstvoll geschnitzten Beinen stand. Verschieden hohe Stapel Bücher türmten sich darauf. Als wir näher kamen, hörte ich das kratzende Geräusch eines Stuhles, der zurückgeschoben wird. Ein Mann, der im Sitzen nicht zu sehen war, erhob sich und kam mit ausgebreiteten Armen auf uns zu. Er trug einen langen Samtumhang, dessen Farbe sich mit jeder Bewegung änderte. Das Gesicht des Mannes war unter einer Kapuze verborgen, doch kaum hatte er sie zurückgeschoben, blickte ich in ein Paar Augen, das ich nie wiederzusehen geglaubt hatte.
    »Mr Jellico?«, brachte ich gerade noch heraus, da hatte er mich schon so fest in seine Arme geschlossen, dass ich Angst bekam, er würde mir die Knochen brechen.
    Als er mich endlich losließ, klopfte er mir auf den Rücken und schüttelte mir wieder und wieder die Hand. »Was für eine Freude, dich wiederzusehen, Ludlow!« Eine Träne glänzte in seinem Auge. »Ich wusste ja gar nicht, was ich denken sollte. Ich war für ein paar Tage verreist, und dann, nachdem ich zurück war, bist du nie mehr zu Besuch gekommen. Da habe ich natürlich das Schlimmste befürchtet: dass deine Eltern dir etwas Schreckliches angetan haben könnten. Aber dem Himmel sei Dank, meine Sorgen waren unbegründet. Ich hätte es mir nie verzeihen können, wenn dir etwas zugestoßen wäre. Du kannst dir nicht vorstellen, wie erleichtert ich bin, dass letztendlich alles so gekommen ist. Ganz sicher auch dank meines guten Freundes hier, dank Joe Zabbidou.«
    Entgeistert schaute ich von einem zum anderen.
    »Ihr kennt Euch!«, rief ich. »Joe, warum habt Ihr mir das nicht gesagt?« Ich konnte gar nicht aufhören, ungläubig meinen Kopf zu schütteln. »Aber ich dachte, es gibt immer nur einen Geheimnis-Pfandleiher?«
    Mr Jellico lachte. »Ich bin ja auch kein Geheimnis-Pfandleiher, nein, nicht so etwas Außergewöhnliches. Ich kümmere mich gewissermaßen um diesen Ort. Man nennt mich Kustos , Verwalter, und das hier ist mein Reich: Atrium Arcanorum , der Saal der Geheimnisse.«
    »Und Euer Laden in der Stadt?«
    »Hmm, tja«, sagte er nachdenklich und strich über sein rasiertes Kinn. Seine Fingernägel waren ausnahmsweise sauber und geschnitten, wie ich sah. Sogar seine Haut sah frisch und gesund aus. »An zwei Orten gleichzeitig sein, das ist nicht einfach. Es tut mir leid, dass ich nicht immer für dich da sein konnte, aber wie du siehst, habe ich noch andere Verpflichtungen.«
    Während ich damit zu tun hatte, eine neue Enthüllung nach der anderen zu verarbeiten, traten Joe und Mr Jellico zur Seite und schlenderten, ins Gespräch vertieft, den Saal hinunter. Ich blieb neben dem Tisch stehen. Vor lauter Denken und Schauen war ich wie benommen, meine Gedanken wirbelten durcheinander und ich versuchte krampfhaft zu verstehen. Tausend »Was-wenn-Fragen« gingen mir durch den Kopf. Was, wenn ich nie nach Pagus Parvus gekommen wäre? Was, wenn ich eine andere Kutsche
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