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Das schwarze Buch der Geheimnisse (German Edition)

Das schwarze Buch der Geheimnisse (German Edition)

Titel: Das schwarze Buch der Geheimnisse (German Edition)
Autoren: F.E. Higgins
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jemanden umgebracht habe.Und doch schienen in seiner Nähe Geld und Tod untrennbar miteinander verbunden.
    Es gab natürlich noch andere unbeantwortete Fragen, und im Lauf unserer Wanderung fielen mir auch manche Antworten ein, als aber die Temperaturen sanken und der Schnee immer dichter fiel, fragte ich mich allmählich, ob es so klug gewesen war, mitzugehen. Doch in Pagus Parvus hatte ich nichts mehr verloren, und so marschierte ich weiter und gab mir alle Mühe, optimistisch zu bleiben. Gegen Ende der Reise war ich so erschöpft, dass ich kaum mehr die Füße heben konnte. Die letzten paar Meilen trug mich Joe auf dem Rücken unter seinem Umhang. Ich konnte noch immer den Sturm heulen hören, aber allmählich wiegte mich der Rhythmus von Joes Schritten – trotz des Hinkens – in einen angenehmen Schlummer. Was danach geschah, habe ich nur noch undeutlich in Erinnerung, bis zu dem Moment, als ich aufwachte und merkte, dass ich ausgestreckt auf dem Boden lag.
    Es war ein Lager aus belaubten Zweigen auf hartem Untergrund, und ich war mit meinem Umhang zugedeckt. Kein Schnee, kein Wind, keine Kälte. Ein paar Minuten blieb ich liegen, ohne mich zu bewegen, und genoss die Wärme und Behaglichkeit. Über mir sah ich eine Felsendecke, und als ich die Hand ausstreckte, spürte ich, dass der Boden sandig war. Ich setzte mich auf und blickte mich neugierig um. Ich befand mich in einer niedrigen Höhle, die von brennenden Fackeln an den Wänden erhellt war. Als ich das letzte Mal solche Fackeln gesehen hatte, in der Nacht, als Jeremiah gestorben war, hatten sie kein so angenehmes Licht verbreitet. Wenn ichmich konzentrierte, konnte ich draußen den Sturm heulen hören, aber es klang sehr weit weg. Zu meinen Füßen brannte ein Feuer, über dem ein geschwärzter Kessel hing. Was darin kochte, hatte einen vertrauten Geruch. Joe saß mit gekreuzten Beinen vor dem Feuer und hielt mir eine Tasse entgegen.
    »Suppe?«

    Nach dem Essen war Zeit zum Reden. Ausnahmsweise schien Joe meine Fragen diesmal gern zu beantworten. Er wirkte irgendwie anders als sonst, entspannt, als wäre er hier an einem vertrauten Ort.
    »Es ist Zeit für die Wahrheit«, sagte er. »Wenn wir unsere Reise gemeinsam fortsetzen sollen, musst du mir vertrauen. Wenn du also etwas wissen möchtest, jetzt kannst du fragen.«
    Wo anfangen? Ich war so nervös, dass ich zitterte, aber ich wusste, was ich sagen wollte. Diesen Moment hatte ich tagelang geprobt. »Erzählt mir von Euren Regeln.«
    Joe nickte und fing an. »Es sind nur zwei, beide einfach, aber gerade ihre Einfachheit macht es schwer, sie einzuhalten. Ich denke, die erste kennst du.«
    Ich kannte sie. »Man darf den Lauf der Dinge nicht ändern.«
    »Genau. Das soll nicht heißen, dass ich keinen Einfluss habe. Schon die Tatsache, dass ich an einen Ort komme, wirkt sich in irgendeiner Weise auf die Zukunft aus, aber egal, wohin ich gehe: Jeder Mensch ist verantwortlich für sein eigenes Tun. Ich finde, von den beiden Regeln ist es diese, die schwerer zu befolgen ist. Ich habe schon schreckliche Dinge gesehen, Ludlow,und nicht einzugreifen ist manchmal qualvoll. In Pagus Parvus war ich fast jeden Tag versucht, mich über diese Regel hinwegzusetzen. Die Dorfleute brauchten meine Hilfe so dringend, aber ich musste ihren Bitten gegenüber taub sein. Ich weiß wirklich nicht, was ich ihrer Meinung nach tun sollte – vielleicht wollten sie, dass ich Jeremiah umbringe (das sagte er mit ironischem Unterton) –, aber ich konnte nur weitermachen wie immer und darauf hoffen, dass sie warten könnten. Jede andere Reaktion meinerseits hätte zu einer Katastrophe geführt. Dura lex sed lex . Das Gesetz ist hart, aber es ist das Gesetz.«
    »Und die zweite Regel?«
    »Auch die kennst du schon. Jedermann, egal wer es ist, verdient eine Chance zur Wiedergutmachung, eine Chance, etwas zu bedauern und um Gnade zu bitten. Selbst Leute wie Jeremiah Ratchet. Du wirst dich erinnern, dass ich ihm diese Gelegenheit gegeben habe, als er wegen des Buches kam.«
    Ich erinnerte mich an den Anblick des um Hilfe winselnden Jeremiah, und mich schauderte.
    »Freilich wollte er meine Hilfe in Wirklichkeit gar nicht«, fuhr Joe fort. »Trotzdem musste ich sie ihm anbieten. Du hast befürchtet, dass ich, falls er etwas gestanden hätte, sein Geheimnis gegen ihn verwenden würde. Es hat mir das Herz gebrochen, zu erleben, wie dein Vertrauen in mich ins Wanken geriet. Allerdings hat es mich sehr gefreut, dass du so um das Schicksal der
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