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Das schottische Vermächtnis: Roman (German Edition)

Das schottische Vermächtnis: Roman (German Edition)

Titel: Das schottische Vermächtnis: Roman (German Edition)
Autoren: Susanna Kearsley
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dann hat er seine Zunge wohl gehütet. Bei einem Mann hätte er sich bestimmt nicht zurückgehalten.« Er sah Sophia von der Seite an. »Sie kennen ihn nicht persönlich?«
    »Nein.«
    »Dann lassen Sie mich von ihm erzählen. David McClelland stammt aus der Gegend von Kirkcudbright. Als er und sein Bruder klein waren, wurde ihr Vater krank und starb, und man schickte sie nach Irland zu Verwandten. Davids Bruder ging bei einem Küfer in die Lehre und kehrte vor ein paar Jahren hierher zurück. Aber David war abenteuerlustig, ging zum Royal Irish Regiment und kämpfte in Flandern für die andere Seite. Wahrscheinlich bin ich ihm ein- oder zweimal auf dem Schlachtfeld begegnet, ohne es zu wissen.«
    »War er in Malplaquet?«, fragte Sophia leise.
    »Ja. Und die Gräuel dieses Tages veränderten David McClelland stärker als die meisten anderen.«
    Sophia, die viel über die außergewöhnlich blutige und brutale Schlacht gelesen hatte, nickte stumm.
    »Er wurde so schwer verwundet, dass er nicht mehr kämpfen konnte«, fuhr Colonel Graeme fort, »und dient seitdem King James mit einer Loyalität, die ihresgleichen sucht.«
    »Sind Sie sicher, dass er Ihr Vertrauen verdient?«, fragte Sophia.
    »Aye. Ganz sicher. Ich würde ihn Ihnen gern vorstellen. Kommen Sie mit?«
    »Was, jetzt?« Sie sah unwillkürlich zur Tür. »Ich glaube nicht, dass es klug ist, das Haus zu verlassen, wenn alle denken, dass ich Kopfschmerzen habe.«
    »Es wäre nicht das erste Mal, dass Sie etwas Unkluges tun. Sie haben noch gute zwei Stunden Zeit, bis Ihre Gastgeber von der Kirche zurückkommen. Und den Bediensteten können Sie erzählen, Sie wollen einen kurzen Spaziergang mit Ihrem Onkel machen, was ja auch stimmt. Meine Mutter hat immer gesagt, frische Luft ist das beste Heilmittel gegen Kopfweh.«
    »Na schön.«
    »Gutes Mädchen.«
    Draußen zog sie die Kapuze ins Gesicht, obwohl sich auf der High Street niemand aufhielt. Alle, vermutlich auch die Witwe McClelland, waren in der Kirche. »Hat David McClelland denn keine anderen Verwandten in Kirkcudbright?«, erkundigte sich Sophia.
    »Nicht mehr. Auch nicht in Irland. Sie sind alle tot.«
    »Dann ist er also ganz allein.« Sophia wusste, wie das war.
    »Ja, Ihr beide seid euch sehr ähnlich«, sagte der Colonel, der ihre Gedanken erriet.
    »Vielleicht möchte er gar keinen Besuch bekommen«, wandte Sophia ein.
    »Er liegt nicht gern im Bett, das macht ihn ungeduldig. Und so faszinierend ich auch sein mag: Ich glaube, er hat allmählich genug von meiner Gesellschaft.«
    »Hat er sich von seinen Verletzungen erholt?«
    Der Colonel zuckte mit den Achseln. »Ein Humpeln wird ihm wohl bleiben, weil er fast das Bein verloren hätte. Und die Schussverletzung in der Brust sowie die Krankheit auf dem Schiff haben seine Lunge geschwächt. Aber alles in allem kann er sich glücklich schätzen. Malplaquet haben nicht viele überlebt.«
    Schon bald erreichten sie das Gebäude, ein viereckiges Steinhaus, das sich dicht an seine Nachbarn drängte. Die Fenster standen offen, um die warme Frühlingsluft hereinzulassen.
    Der Colonel klopfte, und sie traten ein und gingen zu einem der vorderen Zimmer.
    Der Mann darin stand mit dem Rücken zu ihnen am Fenster, so dass Sophia nicht viel mehr erkennen konnte als seine aufrechte Haltung und die braunen, über dem Hemdkragen zusammengebundenen Haare. Er trug keine Jacke, nur Hose und Stiefel, und in dem trüben Licht, das durch die halb geöffneten Vorhänge hereindrang, schimmerte sein weißes Hemd fahl wie das eines Geistes.
    »Hast du sie gesehen? Geht es ihr gut?«, fragte er mit heiserer Stimme.
    »Jetzt schon«, antwortete der Colonel und schloss die Tür hinter sich.
    Sophia blieb wie angewurzelt stehen.
    Da drehte er sich um und trat mit großen Schritten zu ihr, um sie in die Arme zu schließen.
    »Ich hab dir doch gesagt, dass ich zurückkomme.«
    Und dann waren keine Worte mehr nötig.

 
      23  
     
    Malplaquet befand sich an der Grenze zwischen Flandern und Frankreich und war von tiefen Wäldern umgeben. Am elften September, dem Morgen der Schlacht, hatten sich die Franzosen darin verschanzt und warteten auf das Morgengrauen und den Angriff der Engländer, Deutschen und Holländer unter der Führung des Duke of Marlborough.
    Als der Morgen schließlich anbrach, rollten dichte Dunstschwaden von den Feldern heran und verwandelten die wartenden Männer in graue, von Hunger und Schlafmangel erschöpfte Schatten. Der Gegner nutzte den Nebel; als er
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