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Das schoenste Maedchen der Welt

Das schoenste Maedchen der Welt

Titel: Das schoenste Maedchen der Welt
Autoren: Jo Hanns Roesler
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wenig verlegen.
    Sie kamen daheim an. Er knöpfte ihr nach alter Gewohnheit die Handschuhe auf. Da sah er den Ring.
    „Was ist das?“ rief er.
    „Was?“
    „Dieser Ring?“
    Helene sagte schnell:
    „Ach, nichts weiter — ich fand ihn eines Tages auf der Promenade. Eine geschickte, aber wertlose Fälschung, wie man mir auf dem Fundbüro sagte!“
    „Das ist nicht wahr!“
    „Ullrich!“
    „Der Stein ist echt! Dieser Ring ist mindestens achttausend Mark wert! Wer hat dir diesen Ring geschenkt?“
    „Du scheinst zu vergessen, daß ich deine Frau bin!“
    Helene verließ das Zimmer.

    *

    Am nächsten Morgen suchte sie verzweifelt überall den Ring.
    „Ich weiß genau, daß ich ihn gestern abend auf den Ringständer legte“, sagte sie aufgeregt.
    Das Hausmädchen zuckte die Schultern.
    „Ich habe ihn heute früh nicht gesehen, gnädige Frau.“
    Da öffnete sich die Tür.
    Helenes Mann trat ein.
    „Du suchst den Ring?“ fragte er ernst.
    „Ja.“
    „Hier ist er. Ich hatte ihn genommen.“
    „Was fällt dir ein?“
    „Ich war mit dem Ring bei einem Juwelier. Ich habe ihn schätzen lassen.“
    Helene wich der Boden unter den Füßen. Bleich flüsterte sie: „Und?“
    Da trat er zu ihr und sagte:
    „Verzeih, ich tat dir gestern unrecht. Der Ring ist tatsächlich nur eine geschickte, aber wertlose Imitation.“

Herz auf Rosen

    Manche Menschen sind dümmer, als es die Polizei erlauben dürfte. Sie scheinen bei Kitsch und Kerzen aufgewachsen. So einer war auch Adolar.
    Adolar dünkte sich ein Liebhaber von Rang. Der alte Don Juan war ein Hund gegen ihn. Adolars Erfolg bei Frauen hätte sprichwörtlich werden müssen, hätte man ihm nur aufmerksam zugehört, wenn er von seinen Erfolgen erzählte. Aber Erfolge bei Frauen sind so billig, lieben kann schließlich jeder, das braucht man gar nicht gelernt zu haben. Und so bekam Adolar bald ein reiches Sammelsurium von Liebesabenteuern zusammen, denn oft weiß ein Mädchen nicht, daß es nur geküßt wird, um gerade das Dutzend voll zu machen oder das Schock rund. Und die Mädchen ließen sich betören und gaben kleine Geschenke, keine von Wert, aber warum sollten sie sich keine Locke vom Haar schneiden, wenn Adolar sie so flehend darum bat. Und sie drehten die Locke mit einem bunten Band zusammen, preßten sie noch einmal an ihre Lippen und an ihr Herz und sagten die alten Worte der Liebe dazu, wenn sie sie Adolar in die zärtliche Hand legten. So kam es, daß Adolar — nicht tüchtiger, nicht schöner und liebenswürdiger als wir anderen Männer — über einen Schatz handgreiflicher Erinnerungen verfügte und einen wahren Berg von blonden, schwarzen, braunen, goldenen und roten Locken besaß. Und jede war das Zeichen einer zärtlichen Stunde, jede einzelne bedeutete einen Kuß, eine Sehnsucht, eine Erfüllung. Und wenn man genau hinhörte und sein Ohr ganz dicht an sie legte, hörte man noch ganz leise das Herzklopfen aus ihnen. Glaubt nicht, das ist Dichterphantasie, versucht es daheim nur einmal selbst, meine Freunde!
    Aber auch Adolar wurde älter, auch ihm blieb es nicht erspart, mehr den Erinnerungen zu leben, als neue Abenteuer zu sammeln. Und er legte sich oft zu Stunden schon nieder, die er früher durchtanzt hatte. Da er aber noch die Sehnsucht eines Zwanzigjährigen im Herzen trug, auch wenn sie durch die müden Augen nicht mehr herausschauen konnte, nahm er eines Tages alle braunen und blonden und roten und schwarzen Locken der geliebten Frauen und trug sie zu einem Matratzenmacher.
    „Füllen Sie mir ein Kissen damit“, sagte er, „ein Kissen, auf das ich meinen Kopf lege, wenn ich müde bin. Es sind teure Erinnerungen, Meister. Vergessen Sie das nicht!“
    Der Matratzenmacher nickte.
    „Ja, ja. Gut. Wird besorgt.“
    „Bis wann?“
    „Kommen Sie in zwei Wochen wieder.“

    *

    Kennt ihr die Werkstatt eines Matratzenmachers? Wie ungemütlich sieht es da zwischen den gemütlichen Möbeln aus! Die bequemen Federn liegen kreuz und quer, die wiefelnden Matratzen stehen steif an der Wand, spitze Nadeln und drahtiger Zwirn bedrohen dich von allen Seiten. Auch Hobelspäne und Lederabfälle und graue Reste von Gurten liegen herum. Wer kann es da den zarten Locken verdenken, daß sie sich hier nicht wohlfühlten, sondern sich ängstlich in einen Winkel verkrochen, wo sie keiner mehr erspähen konnte? So geschah es mit Adolars Liebeserinnerungen, sie waren einfach verschwunden, der Meister suchte sie überall, auch die Meisterin mußte mitsuchen und
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