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Das Schmetterlingsmädchen - Roman

Das Schmetterlingsmädchen - Roman

Titel: Das Schmetterlingsmädchen - Roman
Autoren: Laura Moriarty
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in den Salon. Ihr Lächeln verblasste, als sie das Mädchen sah.
    »Liebling, was isst du denn da?« Ihre Stimme blieb leise und sanft, aber sie reichte Cora beide Gläser, damit sie dem Mädchen Löffel und Tasse wegnehmen konnte. Nach einem kurzen Blick in die Tasse runzelte Myra die Stirn. »June, das ist kein anständiges Mittagessen. Das muss ich dir ja wohl nicht erst sagen. Geh ins Badezimmer und wasch dir die Hände, und dann suchst du Theo.«
    »Er spielt gegen sich selbst Badminton«, sagte das Mädchen. »Er hat gesagt, dass er keinen Partner will.«
    »Unsinn. Ich habe den anderen Schläger gerade hier gefunden, wo er gar nicht sein sollte, und jetzt liegt er bei der Hintertür. Wenn du dich gewaschen hast, holst du ihn und gehst nach draußen zu Theo. Das wäre alles.«
    Damit drehte sich Myra, jetzt wieder lächelnd, zu Cora um und nahm ihr ein Glas Limonade ab. Cora stellte fest, dass ihre Bluse mittlerweile korrekt geknöpft war.
    »Ich bin ganz beeindruckt von all den Büchern«, sagte Cora, während sie darauf achtete, beim Hinsetzen nicht den Shakespeare unter ihren Sessel zu treten.
    »Oh.« Myra verdrehte die Augen. »Die Kinder lassen sie überall herumliegen. Wegen Leonards Gesetzesbüchern können wir sie nicht in der Bibliothek aufbewahren. Auf der Seite sinkt das Haus buchstäblich ein, weil es so viele sind. Und sie sind schwer.« Sie bemerkte Coras Lächeln und schüttelte den Kopf. »Nein, im Ernst. Das Fundament hat sich fünfunddreißig Zentimeter gesenkt. Deshalb verziehen sich auch die Fenster. Aber er kann sich von keinem einzigen Buch trennen.«
    Cora überlegte, ob sie als Beweis für ihr weibliches Verständnis nicht irgendeine kleine Beschwerde über Alan machen konnte, aber ihr fiel einfach nichts ein. Auch Alan besaß viele Gesetzesbücher, aber falls unter ihrem Gewicht jemals die Fundamente ihres Hauses ins Wanken geraten sollten, würde er sich sicher von einigen trennen.
    Sie sahen einander an. Cora fand, dass Myra den Anfang machen sollte. »Ein schönes Mädchen«, bemerkte sie dann aber und deutete mit dem Kopf auf die Schiebetür, durch die June verschwunden war.
    »Danke. Warten Sie, bis Sie Louise gesehen haben.«
    Cora starrte ihre Gastgeberin an.
    Myra zuckte mit den Achseln. »Sie kennen sie noch nicht, nehme ich an. Tut mir leid. Ich will ganz offen sein. Das muss ich wohl angesichts der … Mission, zu der Sie sich bereiterklärt haben.« Sie musterte Cora skeptisch. »Sie sollten wissen, dass Sie auf ein Mädchen aufpassen müssen, das nicht nur auffallend hübsch, sondern noch dazu sehr eigenwillig ist.«
    Cora geriet ein wenig aus der Fassung. Anscheinend war kein klärendes Gespräch nötig. Myra hatte bereits entschieden, dass Cora eine geeignete Aufsichtsperson war. Cora hatte Freude und sogar Dankbarkeit erwartet, aber auch, dass Myra ihr zuerst ein paar Fragen stellen würde.
    »Ich habe schon gehört, dass sie sehr hübsch ist«, sagte Cora.
    »Was haben Sie sonst noch gehört?«
    Cora setzte sich kerzengerade auf.
    »Oh! Ich meine nichts Skandalöses!« Myra beugte sich vor und tätschelte beruhigend Coras Arm. Für eine so zierliche Erscheinung hatte sie große Hände, mit langen, schmalen Fingern. »Ich wollte Sie nicht erschrecken. Aber ich … ich nehme an, dass Sie viele Freunde in der Stadt haben.« Sie lehnte sich zurück und überkreuzte die Knöchel. »Ich frage mich, ob Sie zum Beispiel mit Alice Campbell gesprochen haben.«
    Cora schüttelte den Kopf. Die Limonade war viel zu sauer. Es kostete sie Mühe, nicht den Mund zu verziehen.
    »Ach so. Na schön. Alice Campbell unterrichtet im Wichita College of Music Tanz und Sprechtechnik.« Myra sprach die letzten Worte aus, als wäre die Vorstellung lachhaft, ein Witz an und für sich. »Louise hat einige Jahre bei ihr studiert. Sie sind gewissermaßen aneinandergeraten. Mrs. Campbell fand sie …« – sie sah aus einem der großen Fenster, als suche sie nach den richtigen Worten – »… verzogen, unbeherrscht und unverschämt. Und noch einiges mehr, soweit ich mich entsinne. Wie auch immer, sie hat Louise aus all ihren Klassen entlassen.«
    Cora runzelte die Stirn. Sie wollte nach New York fahren, das stand fest. Wenn sie jetzt einen Rückzieher machte, schaffte sie es vielleicht nie. Aber diese Informationen trübten die Erwartungen, die sie hatte.
    »Ich würde nicht sagen, dass diese Eigenschaften bei Louise nicht vorhanden sind«, fuhr Myra fort und stellte ihr Glas auf den Tisch.
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